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Damenwahl

STRIVE+ Will eine Frau Karriere, Liebe und Familie miteinander vereinbaren, braucht sie zu Hause einen Mann an ihrer Seite, der sie unterstützt. Oder? Wir haben vier erfolgreiche Frauen (und einen Mann) befragt.


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Kamala Harris und ihr Ehemann Doug Emhoff an ihrem ersten Arbeitstag im weißen Haus (Foto: The White House, Public domain, via Wikimedia Commons)

Der 20. Januar 2021 war ein wunderbarer Tag für Frauen. Donald Trump stieg zum letzten Mal in die Air Force One. Die 22-jährige Dichterin Amanda Gorman rappte sich zum Weltstar. Und mit Kamala Harris wurde die erste weibliche Vizepräsidentin der USA vereidigt. Das Beste an diesem Inauguration Day kam jedoch als Plus eins und stand in der zweiten Reihe. Doug Emhoff, erfolgreicher Jurist, hatte seinen Job schon vor Wochen an den Nagel gehängt, um seine Frau im Wahlkampf zu unterstützen. Sein Twitter-Profil beginnt mit der Beschreibung „Devoted dad. Proud husband to @KamalaHarris …“. Endlich trug Emhoff jetzt auch offiziell den schönsten Titel des Landes: Second Gentleman.


Diese aktuellen Geschehnisse passen zu einer Quote-Card, die seit einigen Monaten immer mal wieder viral geht: „Ambitious women really only have two options: a super supportive partner or no partner at all.“ Doug Emhoff, so viel ist klar, ist einer von den super Unterstützenden.



Frauen haben also die Wahl: Ein Partner, der sie und ihre Karriere bedingungslos unterstützt – oder überhaupt kein Partner? Zugegeben, der Satz tut weh. Hört man sich unter Top-Karrierefrauen um, egal ob in der Politik oder in der Wirtschaft, sagen allerdings die wenigsten, dass er nicht stimmt. Hinter vorgehaltener Hand verraten sie sogar, wie schwer es für sie sei, überhaupt einen Partner zu finden, vom richtigen mal ganz abgesehen. Sie erzählen, dass sich ihre Dates in ihren großen Eigentumswohnungen mit Blick über die Stadt zwar wohlfühlen, aber nie „dazuziehen“ würden. Oder dass sie spätestens bei der nächsten Beförderung, die einen Umzug in eine andere Stadt verlangt, wieder alleine sind.

Vorweggenommen sei: Wir konzentrieren uns in diesem Artikel auf heteronormative Konstellationen, also auf Beziehungen zwischen Frau und Mann. Natürlich muss jedes Paar individuell betrachtet werden, aber tatsächlich scheint hier die Debatte um Machtverteilung und Vereinbarkeit besonders festgefahren zu sein.

Eine Studie des Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) ergab, dass Männer immer dann am zufriedensten sind, wenn sie mit einer Frau zusammenleben, die weniger verdient als sie.

Dass ihre Frau abends nach Hause kommt und viel zu erzählen hat, finden die meisten Männer noch ganz spannend. Wenn sie dann aber schneller erfolgreich ist und auch mehr Gehalt bekommt als sie, wird das Eis dünner. Studien belegen das immer wieder repräsentativ. So ergab eine Umfrage des Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), dass Männer immer dann am zufriedensten sind, wenn sie mit einer Frau zusammenleben, die weniger verdient als sie. Männer orientieren sich bei der Wahl ihrer Partnerin deshalb „nach unten“, man nennt das Downdating. Tatsächlich ist laut Statistischem Bundesamt in rund 75% der deutschen Haushalte der Mann der Hauptverdiener.


Frauen machen es umgekehrt. Sie suchen Partner mit höherem Status oder wenigstens auf Augenhöhe. Deshalb haben die wenigsten Akademikerinnen zu Hause einen Hausmann sitzen.


Viel öfter ist das Modell „Dual Career“, das meint, dass beide ambitioniert und in Vollzeit im Job stehen. Das wird spätestens dann brisant, wenn Kinder ins Spiel kommen. Weil dann entschieden werden muss, wer sich kümmert: Mama, Papa, oder doch die Nanny? Häufig zeigt sich erst jetzt, ob die Karrieren innerhalb der Paarbeziehung wirklich gleichwertig gesehen werden oder ob eine der beiden als wichtiger gilt.


Frühzeitig abklopfen, wie der Partner in Sachen Gleichberechtigung und Care-Arbeit tickt, ist deshalb besonders wichtig. Wird er sich zu Hause einbringen? Ist er bereit, dafür weniger zu arbeiten? Hört seine Fortschrittlichkeit bei der Kindererziehung auf, weil er sich insgeheim eine Vollzeit-Mutter wünscht, wie er selbst eine hatte? Wenn eine Frau alles will – eine erfüllende und sinnstiftende Karriere, eine Beziehung, Kinder – dann braucht sie jemanden an ihrer Seite, der das erkennt und der bereit ist, das wirklich mitzutragen.


So, wie Doug Emhoff es tut. Der erste Second Gentleman der USA fasste seine neue Rolle neben Kamala Harris einmal so zusammen: „Ich bin gar nicht besonders politisch. Ich bin in allererster Linie ihr Ehemann.“


Vier Frauen, vier Modelle: Wir haben bei erfolgreichen Karrierefrauen nachgefragt, wie sie Job, Liebe und Familie im Alltag vereinbaren.

Anna Steigemann ist Professorin für Stadt- und Raumforschung
Magdalena Rogl und Timm Kawohl (Foto: Sinah Kawohl)
1. Dual Career, Dual Care: 50-50 in allen Lebenslagen

Vier Frauen, vier Modelle: Wir haben bei erfolgreichen Karrierefrauen nachgefragt, wie sie Job, Liebe und Familie im Alltag vereinbaren.



Timm, Produktmanager bei Payback, ist der Mann an der Seite einer sehr präsenten Frau. Eines stellt der 44-Jährige sofort klar: „Das ist auch gut so, ich will es nicht anders. Ich bin extrem stolz auf meine Frau und freue mich über jeden ihrer Erfolge fast noch mehr als sie selbst.“ Die beiden sind seit zehn Jahren ein Paar. Sie patchworken, beide haben jeweils zwei Kinder mit in die Familie gebracht. Für beide stand von Anfang an fest, dass die Arbeit rund um Familie und Haushalt geteilt wird, und zwar fair. Timm ergriff die Initiative: „Bevor wir zusammengezogen sind, habe ich Magdalena einen Zettel geschrieben. Auf dem stand, was ich im Haushalt richtig gut kann – und was nicht.“ Die Küche ist deshalb sein Revier. Magdalena macht die Wäsche. Beim Rest hilft ab und zu eine Reinigungskraft. Die Kinder wuppen die beiden zusammen. Babysitter oder eine Nanny haben sie nicht, allerdings sind Magdalenas Kinder regelmäßig bei ihrem Vater und Timms bei ihrer Mutter. Dann haben die beiden mehr Luft und Zeit für sich. Und eines, das betonen sie, sei wichtig: „Wir haben Mut zum Chaos. Perfekt läuft es bei uns selten.“



So selbstverständlich das für Magdalena und Timm auch ist, sie wissen, dass sie eine Ausnahme sind. Vor allem Timm muss häufig erzählen, wie es sich denn so lebe „an der Seite einer Karrierefrau“. Und Magdalena wird in fast jedem Interview gefragt, wie sie vier Kinder und ihren anspruchsvollen Job unter einen Hut bekommt. „Bei Timm fragt sich das keiner“, sagt Magdalena, und man spürt, dass sie davon genervt ist. Sie findet das Thema aber zu wichtig, um nicht mehr darüber sprechen zu wollen. Dass Magdalena mehr verdient als er, darüber redet Timm offen. „Das ist doch toll, davon profitiere ich doch auch.“ Er versteht nicht, warum so viele Männer da mit ein Problem haben. „Sie sollten über sich hinauswachsen und ihre Eitelkeiten ablegen. Das ist doch kein Wettbewerb, man konkurriert ja nicht. Es geht darum, gemeinsam zu wachsen.“ Frauen, die Beruf und Familie miteinander verbinden möchten, rät Magdalena: „Der richtige Partner ist wichtig. Ohne Timm an meiner Seite hätte ich den Quereinstieg damals nicht gewagt, er hat mich voll unterstützt und motiviert.“ Entscheidend sei, deutlich und frühzeitig zu kommunizieren. „Als Erstes muss man sich bewusst machen, was man will. Und das dann besprechen – am besten, bevor man in die Familienplanung geht. Wie sieht es finanziell aus, welche Zukunft stellt der andere sich vor? Dazu gehört auch eine große Portion Reflexion. Man muss erkennen, welches Bild man selbst von einer Familie hat und welches der Mann.“


2. SIE macht Karriere als Top-Managerin, ER übernimmt den Alltag mit Kind

Ines von Jagemann, 46, ist eine der erfolgreichsten und prominentesten Businessfrauen Deutschlands. Bis letztes Jahr war sie Geschäftsführerin Digital bei Tchibo. Im Spätsommer wird sie einen neuen CEO-Posten antreten; bis dahin arbeitet sie als strategische Beraterin. Ihr Mann Markus Kresse, 50, ist Berufschullehrer in Teilzeit.

Ines von Jagemann

„Unsere Aufteilung zu Hause ist klar: Ich arbeite in Vollzeit und pendele dafür in eine andere Stadt. Mein Mann kümmert sich unter der Woche um unseren achtjährigen Sohn. Als wir Eltern wurden, wussten wir schnell, dass das für uns die richtige Lösung ist und dass er auch die Elternzeit machen würde. Wir haben dieses Modell nicht strategisch entwickelt, sondern ergänzen uns eher intuitiv. Mein Mann und ich kennen uns gut, wir begreifen, wer der andere wirklich ist. Ich möchte Impact kreieren und deshalb für ein möglichst großes Unternehmen arbeiten. Ich sehe oft bei anderen Frauen, dass sie nicht gleichberechtigt sind in dem, wie sie Wünsche äußern und wie sie Absprachen treffen. Das ist nicht trivial, denn da stehen Lebenswege zur Diskussion. Umso wichtiger ist es, dem anderen zu sagen, was man will. Und zu überprüfen, ob man an dieser Stelle mit dem Partner harmoniert. Natürlich haben wir Glück, dass sich unsere Karrieren gut miteinander vereinbaren lassen, dass er sich zurücknehmen kann. Er hatte aber auch nie diese alteingesessene Vorstellung, dass der Mann und sein Beruf per se wichtiger sind als die Arbeit der Frau. Er weiß, was er will, und geht mit seiner Rolle entspannt um, sein Ego hält das aus.


Ich bekomme allerdings viel öfter zu spüren, dass unsere Rollenverteilung ungewöhnlich ist, und werde häufig mit Klischees konfrontiert. Dass ich als Mutter so viel arbeite und das auch noch in einer anderen Stadt, irritiert. Vor allem im Top-Management sehe ich in der Regel Männer, die zu Hause nicht präsent sind – im Gegenteil, da wird manchmal noch stolz erzählt, dass man nicht einmal bei der Geburt der eigenen Kinder anwesend war. Dieses Mindset prägt in Deutschland noch immer das Wirtschaftsleben, da ändert sich nur langsam etwas.


Mir ist bewusst, dass ich meine Karriere zu großen Teilen meinem Mann verdanke. Ich weiß nicht, ob ich meinen Sohn ohne schlechtes Gewissen dauerhaft in Fremdbetreuung hätte geben können. Dass sich Markus zu Hause kümmert, hat es mir leicht gemacht. Wahrscheinlich hätten wir sonst ein anderes Modell gewählt, bei dem ich präsenter gewesen wäre.“


3. Parität auf lange Sicht – 50/50, aber nicht in jeder Lebensphase

Katja-Ohly Nauber

Katja-Ohly Nauber, 46, ist Leiterin Marketing-Kommunikation Mercedes-Benz Cars Deutschland, vor zehn Jahren hat sie außerdem die Outdoor-Fitness-Community „Laufmamalauf“ gegründet. Ihr Mann hat lange als Unternehmensberater gearbeitet und ist heute Projektleiter bei der Deutschen Bahn. Die beiden haben zwei Söhne, inzwischen 21 und 23 Jahre alt.


„Dass eine Frau, die Karriere machen möchte, den richtigen Partner oder die richtige Partnerin an ihrer Seite braucht, dazu habe ich eine ganz leidenschaftliche Meinung. Natürlich muss sie das – auf jeden Fall, wenn Kinder geplant sind. Ich erlebe oft, dass junge Frauen die Herausforderung, Mutterschaft und Karriere erfolgreich unter einen Hut zu bekommen, unterschätzen. Augen auf bei der Partnerwahl! Es ist wichtig, sich frühzeitig hinzusetzen und zu klären, was beide wollen, was jeder bereit ist zu geben und wie jeder seine Ziele erreichen kann. Ich bin überzeugt, nur dann ist für beide eine erfüllte Karriere und Elternschaft möglich.


Als unser zweiter Sohn in die Kita gekommen ist, habe ich bei Daimler angefangen. Mein Mann war in den ersten Jahren als Unternehmensberater viel unterwegs. Trotzdem haben wir beide Vollzeit gearbeitet. Wie wir das geschafft haben? Mit ganz viel Begeisterung für den Job, Organisation, Absprache – und mit dem vollen Programm an Unterstützung. Aupair, Tagesmutter, Babysitter, Schwiegermutter, später Kita und Hort. Und jeden Sonntag saßen wir zusammen und haben die Terminkalender der kommenden Woche abgestimmt. Das hat nicht immer Spaß gemacht und auch mal zu Diskussionen geführt, man darf sich aber auch vor diesen schwierigen Gesprächen nicht drücken. Frauen, und besonders Mütter, müssen den Wert ihrer Arbeit kennen und für sich einstehen. Für mich ist klar: 50/50 muss sein. Aber nicht jeden Tag und nicht in jeder Lebensphase gleich verteilt.


In seiner aktiven Unternehmensberaterzeit habe ich sicherlich mehr Care-Arbeit übernommen als mein Mann. Als ich aber dann vor zehn Jahren zusätzlich zu meinem Job ein Unternehmen gegründet habe, ist mein Mann zu Hause viel aktiver gewesen als ich, hat sich um die Jungs gekümmert, sich in der Schule eingebracht. Damals lagen wir bestimmt eher bei 70/30, und mein Mann hat das gerne gemacht. Dafür bin ich ihm sehr dankbar. Wichtig ist, dass sich rückblickend beide mit dem gemeinsamen Leben wohlfühlen und keiner zu kurz kommt.


Mirna Funk (Foto: Shai Levy)
4. Ohne Mann geht es auch. Meistens sogar besser

„Als Etta sechs Monate alt war, habe ich mich von ihrem Vater getrennt. Einiges funktionierte nicht ideal, und als er sich dann auch noch weigerte, die Spülmaschine auszuräumen, musste er gehen. Seitdem leben wir allein. Nicht, weil ich keinen neuen Partner gefunden habe, sondern weil ich keinen suche. Das ist eine bewusste Entscheidung. Ich lebe gerne allein und bin überzeugt davon, dass das für mich und meine Tochter das Beste ist. Das können viele nicht verstehen. Besonders Männer sind davon irritiert. Sie denken, es müsste nur der Richtige kommen, und dann würde ich meine Meinung ändern. Sie fragen sich auch, wie ich das alleine mit Kind und Karriere hinkriege. Frauen, vor allem Mütter, fragen mich das nur sehr selten. Sie verstehen sofort, dass ich das alles schaffe, nicht obwohl ich keinen Mann habe, sondern weil ich keinen habe. Mir bleibt dadurch einfach ganz viel erspart: Ich muss mich mit niemandem abstimmen, weder in Erziehungsfragen, noch im Alltag. Ich muss mich auf niemanden einstellen und auf niemanden Rücksicht nehmen. Das lässt viel Zeit und Energie für andere Dinge, zum Beispiel für meine Arbeit und für Etta.


Übrigens bezeichne ich mich nie als Single-Mom oder alleinerziehende Mutter. Wenn ich meinem Modell unbedingt einen Namen geben muss, dann würde ich mich eine „selfpartnered Mutter“ nennen. Das klingt weniger prekär, weniger nach Suche – und wird der Sache daher gerechter.“


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