Louisa Dellert: Über ihr Burnout und Hatespeech im Netz
Louisa Dellert ist eine der bekanntesten Influencerinnen Deutschlands. Sie setzt sich für Nachhaltigkeit, eine verständnisvollere Gesellschaft und gegen Hatespeech ein. Vergangenen Sommer zog sich die 34-Jährige für einige Wochen aus ihren Social-Media-Kanälen zurück: ein Burnout, der sich schon lange angekündigt hatte, zwang sie zur Vollbremsung. In STRIVE erzählt Louisa Dellert, wie es ihr heute geht, welche Faktoren den Burnout ermöglicht haben und wie sie mit beleidigenden Kommentaren verfährt.
Louisa, du wirst oft mit Beleidigungen in den sozialen Medien konfrontiert. Welche sind dir am meisten an die Nieren gegangen?
Kommentare wie „Du bist ganz schön dick“. Andere schreiben, dass ich Cellulite hätte und zu breit sei. Tagtäglich wird mein Körper bewertet. Eine Zeit lang haben mich die Kommentare häufig zum Weinen gebracht. In 99 Prozent der Fälle sind es Männer, die ungefragt Kommentare zu meinem Körper abgeben. Das hat mich sehr verunsichert; morgens vor dem Spiegel habe ich mich unwohl gefühlt. Ich überlegte genau, was ich anziehen sollte, weil ich fürchtete, dass die Leute über mich reden könnten.
Ist Übergriffigkeit die neue Normalität in der Kommunikation – oder gilt das nur für die sozialen Medien, in denen die Menschen schnell in die Bewertung gehen?
Ich habe bisher nur im Internet die Erfahrung machen müssen, dass Menschen mir gegenüber übergriffig werden. Im „echten“ Leben hat mir bisher noch keine einzige Person ins Gesicht gesagt, dass ich einen zu fetten Arsch hätte oder meine Cellulite zum Kotzen sei. Mir hat auch noch nie jemand ins Gesicht gesagt, dass ich peinlich sei oder ich mich vom Auto überfahren lassen solle – so etwas passiert nur im Internet, weil man da so herrlich anonym handeln kann.
Was macht die gefühlte Anonymität in den sozialen Medien mit den Menschen?
Sie führt leider oft dazu, dass Menschen ihren Frust, den sie aus persönlichen Gründen aufstauen, an Fremden auslassen. Die Hemmschwelle ist nicht da, weil viele immer noch denken, dass Instagram und Co. rechtsfreie Räume seien.
"Im ‚echten‘ Leben hat mir noch niemand ins Gesicht gesagt, dass ich einen zu fetten Arsch habe (…) oder ich mich vom Auto überfahren lassen solle – so etwas passiert nur im Internet, weil man da so herrlich anonym handeln kann.“
Wie hast du gelernt, mit den Kommentaren im Netz umzugehen?
Inzwischen bin ich so abgestumpft, dass sie mir nichts mehr ausmachen. Heute dulde ich es schlichtweg nicht mehr, wenn andere meinen Körper bewerten. Nach meiner Essstörung und einer Herzoperation hat sich die Einstellung zu meinem Körper grundlegend verändert – mittlerweile gehe ich viel achtsamer mit mir um und bin dankbar für meinen gesunden Körper.
Was hilft neben Abstumpfen noch?
Die Wahrheit ist, dass unglaublich viele Menschen Übergriffigkeit in den sozialen Medien erleben. Es hilft, sich darüber klar zu werden, dass eine fremde Person mit böser Absicht die Grenze überschritten hat. Wenn es richtig unter die Gürtellinie geht: den Kommentar abfotografieren, die Person blockieren und eine Anzeige bei der Polizei erstatten. Mir geht es darum zu zeigen, dass es nicht in Ordnung ist, Menschen dermaßen anzugreifen. Keine Person darf einer anderen vorschreiben, wie ihr Körper auszusehen und was sie zu essen hat.

Du machst Hatespeech auch öffentlich und gehst juristisch dagegen vor.
Richtig, ich gebe alles an HateAid weiter, eine gemeinnützige Organisation, die sich bei Hassrede im Internet um die Rechte der Betroffenen kümmert und Kommentare, die strafrechtlich relevant sind, anzeigt. Man kann auch zur Polizei gehen, denn: Jede Anzeige fließt in eine Statistik ein. Gibt es keine Anzeigen, weil man denkt, dass das eh nichts bringt, dann gibt es auch keine Statistik, über die auf politischer und gesellschaftlicher Ebene diskutiert werden kann.
Haben Männer – aus ihrer Sicht – schlichtweg das Recht, den Körper von Frauen zu beurteilen? Das machen sie schließlich seit Jahrhunderten. Oder handelt es sich deiner Meinung nach um eine kleine Gruppe, die in den sozialen Medien stänkert?
Meiner Meinung nach gibt es ihnen wahrscheinlich ein Gefühl von Macht, den Körper von Frauen zu kommentieren, ihn zu sexualisieren oder Dick Pics zu verschicken.
Wann hat es deinem Gefühl nach angefangen, dass die Menschen so beleidigend wurden?
Schon in der Zeit, in der ich Fitnessvideos gepostet habe, also seit 2013, haben Menschen auf Instagram meinen Körper bewertet und gemeine Dinge geschrieben. „Fette Sau“ oder „Du siehst aus wie eine gepresste Leberwurst“. Sie haben sich über meine kleinen Brüste lustig gemacht. Schlimmer wurde es dann, als ich angefangen habe, mich zu gesellschaftskritischen Themen zu äußern.
Dabei sollte es doch möglich sein, dass man andere ihr Leben leben lässt, wie sie es möchten.
Das stimmt schon. Aber in manchen Situationen kann der Spruch „Leben und leben lassen“ in unserer heutigen Welt nicht gelten.
"Es gilt, eine klare Haltung gegenüber diskriminierenden und herabwürdigenden Parolen einzunehmen, die keine Meinungen sein können."
Wo zum Beispiel?
Wenn ich mit dir am Frühstückstisch sitzen würde und du Fleisch isst, dann wäre das für mich kein Grund, mich wegzusetzen oder ein Streitgespräch zu starten. Ich könnte deine Einstellung respektieren, obwohl ich vielleicht kein Fleisch esse. Bei diskriminierenden oder rassistischen Aussagen gilt das für mich nicht. Ganz im Gegenteil: Da sehe ich mich in der Verantwortung, dagegen vorzugehen und mich mit den Betroffenen zu solidarisieren. Ich halte es so: Wir müssen miteinander ins Gespräch kommen und über unterschiedliche Meinungen und Ansichten reden. Auf der anderen Seite gilt es, eine klare Haltung gegenüber diskriminierenden und herabwürdigenden Parolen einzunehmen, die keine Meinungen sein können.
Als Nachhaltigkeitsinfluencerin verpackst du Wissen auf eine Weise, dass sich niemand angegriffen fühlt.
Stimmt, ich versuche, das Thema allgemein und strukturell anzugehen, ohne mit erhobenem Zeigefinger einzelne Personen zu kritisieren. Wenn sich die Möglichkeit aber ergibt, bin ich natürlich bereit, in die Konfrontation zu gehen. Beispielsweise würde ich eine:r Jachtbesitzer:in schon sachlich klarmachen, dass so ein Boot mit dem hohen CO2-Ausstoß für die Umwelt und das Klima sehr schädlich ist.
Was braucht es, damit wir besser miteinander ins Gespräch kommen?
Es bedarf einer Debattenkultur, in der einander zugehört wird und man nicht nur die eigenen Standpunkte lautstark hinausposaunt. Offenheit für die Meinung anderer Menschen ist in der heutigen Zeit von großer Bedeutung. Wir müssen wieder lernen, wahrhaftig miteinander zu reden und Argumente auszutauschen. Keine:r hat die Deutungshoheit in einer Welt, die immer komplexer wird.

Im Sommer hast du dein Burnout öffentlich gemacht. Auch hier gab es Leute, die – etwa bei Instagram – kommentierten, dass du zum Baden an den See gehst.
Anders als bei physischen Verletzungen ist der Burnout – und auch eine Depression – nicht gleich ersichtlich. Damit geht ein Unverständnis einher. Als könne man nur in einem abgedunkelten Zimmer liegen und die Wohnung nicht verlassen. Es gibt aber eben auch bessere Tage, an denen ich spazieren gehen kann. Die Mitmenschen sollten besonders taktvoll sein, wenn eine Person unter Depressionen oder einem Burnout leidet. Zu sagen, dass man ja gar nicht krank sei, weil man mal beispielsweise im Kino war, ist so ziemlich das Schlimmste, was man machen kann.
Kannst du rekapitulieren, wie es zu deinem Burnout kam?
Ich habe jahrelang nicht auf die Zeichen meines Körpers gehört: Morgens bin ich mit Herzrasen aufgestanden, ich war erschöpft, gereizt und müde. Und ich habe schnell und viel geweint, wenn ich kritisiert wurde oder ein Vortrag mal nicht nach meinen Vorstellungen lief. Ich konnte nie Nein sagen und wollte immer von allen gemocht werden – beruflich wie privat. Schließlich kam es zu dieser Situation im Supermarkt: Ich wollte eigentlich fürs Mittagessen einkaufen. Als ich in den Laden ging und mit meinem Einkaufskorb in der Gemüseabteilung stand, konnte ich auf einmal gar nichts mehr. Jeder Gedanke hat mich überfordert, ich konnte nach nichts greifen, mich nicht bewegen und habe angefangen zu weinen.
Musstest du deshalb aussteigen, weil alles zu viel geworden war?
Richtig. Ich habe alle Entscheidungen der letzten Monate aufgrund meiner gesundheitlichen Verfassung getroffen. Viele Leute schreiben mir, dass sie die Schließung meiner Firma und die gegenwärtige Beendigung meiner Moderationstätigkeit sehr mutig fanden. Es ist nicht mutig gewesen – es ging einfach nicht anders. Ich wollte in einer solchen Situation, in der nichts mehr geht, nie sein. Die Auszeit habe ich nicht freiwillig genommen. Mein gesundheitlicher Zustand ließ mir aber keine Wahl.
Kannst du dir jetzt vorstellen, im alten Tempo weiterzumachen?
Momentan poste ich wieder in regelmäßigerem Rhythmus, obwohl der Einstieg in die Social-Media-Welt mich sehr angestrengt hat. Mittlerweile geht es wieder. Es ist schon ironisch, denn eigentlich wollte ich unbedingt weg von den sozialen Medien.
"Ich habe sehr viel Wert darauf gelegt, was fremde Menschen über mich denken. Für viele war ich nur die Influencerin, die keinen richtigen Job macht.“
Das musst du uns erklären.
Ich habe immer sehr viel Wert darauf gelegt, was fremde Menschen über mich denken. Für viele war ich „nur die Influencerin, die keinen richtigen Job macht“. Deswegen wollte ich mir unabhängig davon etwas aufbauen, habe eine Beratungsagentur für Social Media sowie eine Produktionsfirma gegründet. Jetzt habe ich diese Unternehmen nicht mehr und werde erst mal auf Social Media weiterhin aktiv sein – und auch die eine oder andere Kooperation umsetzen. Zumindest fürs Erste. Langsam wage ich mich zurück in die Arbeitswelt. Doch noch bin ich sehr oft draußen in der Natur, Wandern macht mir großen Spaß. Momentan bin ich eigentlich überall, nur nicht vor dem Laptop.
Während deiner medialen Abwesenheit hast du keine Follower verloren, sondern dazugewonnen. Was bedeutet dir das?
Ehrlich gesagt momentan nicht viel. Cool, aber vielmehr konzentriere ich mich darauf, wieder glücklich zu sein, und mache mir Gedanken darüber, wo es beruflich in Zukunft hingehen könnte.

Louisa Dellert zu Gast im neuen STRIVE-Podcast
Wie sie mit übergriffigen Kommentaren auf Social Media umgeht, ob diese Übergriffigkeit das New Normal unserer Kommunikation ist und wie ihre berufliche Planung nach ihrem Burnout aussieht: Darüber spricht Content-Creatorin Louisa Dellert mit STRIVE-Herausgeberin Katharina Wolff in unserem Podcast „STRIVE up your life“.
Zu hören ab dem 29. November überall, wo es Podcasts gibt, direkt unter strive.podigee.io.

Über die Person:
Louisa Dellert ist Content-Creatorin für die Bereiche Nachhaltigkeit und Mental Health. Sie wurde im Oktober 1989 in Wolfenbüttel (Niedersachsen) geboren und begann vor etwa zehn Jahren damit, Fitnessvideos auf Instagram zu posten. Im Laufe der Zeit änderte sie ihren Fokus in den sozialen Medien, heute äußert sie sich zu Umweltschutz, Politik und Feminismus. Sie engagiert sich dafür, Lösungsansätze für die Zukunft zu suchen. Louisa Dellert hat mehrere Auszeichnungen erhalten, darunter den Umweltmedienpreis der Deutschen Umwelthilfe. Sie lebt in Berlin.
