Kolumne | Frauen arbeiten, kriegen Kinder, stillen. Damit sie endlich die Rolle einnehmen können, die ihnen gebührt, müssen auch die Männer anfangen, sich und ihre Privilegien zu hinterfragen, findet Michael Fritz von Viva con Agua.
Micha Fritz
vor 15 Tagen
Werdet FeMENisten!
Frauen stehen oft zwischen der Familie und Karriere und haben die doppelte Arbeit Foto: Pexels (Symbolbild)
Lenny Kravitz und ich haben nicht viel gemeinsam. Allein dass ich den Vergleich wage, ist mir unangenehm. Eine Sache verbindet uns aber: „It’s time to turn it over to women! Men have had their chance to run the world and look where we are.“ Für den Post hat Kravitz vor drei Jahren viel Aufmerksamkeit bekommen. Meine Tochter ist in etwa so alt wie der Post – und ich hoffe, sie erlebt, wie Frauen in unserer Gesellschaft endlich die Rollen einnehmen können, die ihnen gebühren.
Wie sie ohne Widerstände CEO und Vorstandsvorsitzende werden. Wie sie gleichwertig bezahlt werden, ihnen keine Steine in den Weg gelegt werden, wenn sie unsere Kinder zur Welt bringen und danach trotzdem leben, arbeiten und Karriere machen wollen. Es ist wichtig, dass wir das kapieren: Wir alle müssen Feminist:innen sein! Es geht nicht darum, dass wir unsere Ehefrauen mit den Kindern unterstützen, indem wir abends eine Geschichte vorlesen. Oder dass wir uns feiern lassen, wenn wir Zeit mit unseren Kindern verbringen.
„Wir müssen uns zu Wort melden, wenn wir Sexismus wahrnehmen.“
Wir müssen unseren Job machen, für Frauen einstehen und uns zu Wort melden, wenn wir sexistische Äußerungen wahrnehmen. Wir sollten die doppelte Arbeit von Müttern auf der ganzen Welt sehen und verehren. Denn wohin man auch schaut, Frauen tragen die größte Last. Beispiel gefällig? Meine Frau stillt gerade unser zweites Kind und arbeitet als Geschäftsführerin von Viva con Agua ARTS und bereitet die Millerntor Gallery vor, ein Kunst- und Kulturfestival mit rund 17.000 Besucher:innen, das im Juni im Stadion des FC St. Pauli stattfindet. Sie hat also zwei Jobs. Vor Kurzem ging ein Meme viral, laut dem Mütter 1.800 Stunden im Jahr mit Stillen verbringen. Ein Job mit 40-Stunden-Woche und Urlaub umfasst 1.920 Stunden.
Wir müssen uns klarmachen, dass ein struktureller Wandel positive Effekte auf vielen Ebenen hätte. Auch wir Männer geben nichts auf, wir gewinnen dazu! Die Wirtschaftskraft würde steigen, wenn Frauen in gleichem Maße partizipieren könnten, die Unternehmenskultur würde profitieren, Innovationen und Meinungsvielfalt nähmen zu, flexible Arbeitszeiten würden sich endlich durchsetzen, die Lebensqualität für alle würde steigen.
Unzählige Studien zeigen das. Damit habe ich noch nicht mal angesprochen, was Lenny Kravitz meinte. In seinem Statement geht es nicht nur um Wirtschaftskraft und Unternehmenskultur, es geht um die Zukunft des Planeten. Das Patriarchat hat dafür gesorgt, dass diese düster aussieht. Es ist Zeit, dass wir Männer das einsehen. Dass wir begreifen, wie privilegiert wir sind, und dass wir unsere Privilegien immer noch haben, wenn wir sie teilen. Wir müssen mithelfen, Strukturen zu schaffen, in denen Frauen das Ruder übernehmen können. Wir brauchen mehr FeMENisten!
Über den Autor:
Michael Fritz (39) ist Mitgründer von Viva con Agua, einer internationalen Organisation, die sich weltweit für den Zugang zu sauberem Trinkwasser einsetzt. Er ist aber vor allem Konzeptionsaktivist und der Meinung: Etwas zu gründen, das keinen gesellschaftlichen Mehrwert hat, hat in der heutigen Zeit keinen Sinn mehr. www.vivaconagua.org