STRIVE Redaktion
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„Nebenberufliches Gründen ist eine Reise. Du musst nicht alles vorher wissen.“

Als Sidepreneurin, Alleinerziehende und IT-Consultant mit internationaler Karriere hat Karin Brunotte gelernt, dass Mut sich auszahlt und dass Erfolg viele Formen haben kann. Nach über 25 Jahren in der Tech- und Beratungswelt gründete sie JUNGSundMEER Jewelry aus einer ganz persönlichen Situation heraus: wenig Raum, wenig Zeit, aber viel Kreativität. Was als kleines Hobby auf einem Designmarkt begann, wurde zu einem Business, das ihr eine neue Seite ihrer eigenen Wirksamkeit zeigte. Heute steht Karin für eine neue Definition von „Vereinbarkeit“: nicht alles gleichzeitig schaffen zu müssen, sondern bewusst zu priorisieren und auch mal einen Ball fallen zu lassen. Im Interview spricht sie darüber, warum Gründen neben dem Job keine Perfektion, sondern Mut braucht, wie Netzwerken ihr Selbstvertrauen beflügelt hat und wieso es Arbeitgeber:innen nicht fürchten sollten, wenn Mitarbeitende nebenbei gründen.

„Nebenberufliches Gründen ist eine Reise. Du musst nicht alles vorher wissen.“
Karin Brunotte, Gründerin von JUNGSundMEER Jewelry | Foto: Astrid Purkert Fotografie

Liebe Karin, stell Dich doch mal kurz vor: Wie sah Dein Weg bisher aus, und wie bist Du an den Punkt gelangt, an dem Du heute stehst?

Mein Berufsleben startete völlig untypisch für ein 16-jähriges Mädchen aus der Kleinstadt. Nicht nur, dass ich von einem auf den anderen Tag in die Großstadt Hannover gezogen bin, ich begann auch noch eine Ausbildung als Industrieelektronikerin. Ein unglaublicher Schritt, der mir damals schon zeigte, dass Mut belohnt wird. Nach einigen Jahren machte ich eine Umschulung zur IT-Fachkraft und erlangte eines der damals begehrten Microsoft Zertifizierungen. Meine Berufslaufbahn als IT-Consultant begann, und sollte noch weitere 25 Jahre andauern. Nebenbei studierte ich BWL, um mein technisches Wissen zu ergänzen. Ich hatte unglaublich spannende Projekte an Orten wie Athen, London, Mailand und den Vereinten Nationen in Genf. Meine wichtigsten Learnings als junger Mensch: Die beste Investition ist immer die, in die eigene Bildung, und Information ist der Schlüssel zum Erfolg!

Du bist Gründerin von JUNGSundMEER Jewelry und gleichzeitig aber auch weiterhin beruflich in anderen Rollen aktiv. Wie kam es dazu, dass Du neben Deines Jobs gegründet hast?

Begonnen hat alles mit meiner Liebe zu kreativen Dingen. Ich konnte mich stundenlang in Pinterest-Boards verlieren und hatte immer Freude an handwerklichen Dingen. Nach meiner Trennung musste ich aus privaten und beruflichen Gründen mit meinem kleinen Sohn umziehen. Ein neuer Lebensabschnitt als alleinerziehende Mama begann, und brachte einige Herausforderungen mit sich. Ich hatte nicht mehr die gleichgroßen Räumlichkeiten zur Verfügung und musste mir überlegen, wie ich meiner Leidenschaft auf kleinstem Raum nachgehen konnte. So bin ich auf die wundervolle Welt der Schmuckherstellung gestoßen. Klein, aber fein! Eine Freundin ermutigte mich, meine ersten Entwürfe auf einem lokalen Designmarkt auszustellen und ab diesem Moment hatte ich Feuer gefangen. Die Erfahrung, dass es Menschen gab, die meine Ideen und Kreationen so sehr wertgeschätzten, dass sie diese kauften, hat mich total berührt. JUNGSundMEER Jewelry war geboren. Von da an wurde ich mutiger! Meine Schmuckstücke wurden aufwendiger, die Kollektionen änderten sich und ich habe mich mit unterschiedlichen Materialien auseinandergesetzt. Von den damaligen ersten Versuchen zu meinen
heutigen Statement-Pieces hat sich viel verändert, aber die Faszination ist geblieben.

 

Welche Routinen oder Strukturen helfen Dir, Deinen Hauptjob, Business und Privatleben unter einen Hut zu bekommen, ohne auszubrennen?

Es ist wichtig zu verstehen, dass wir uns von der Erwartung anderer verabschieden dürfen. Wir dürfen lernen, dass die Aufgaben, die wir haben sich eben nicht vereinbaren lassen, sondern dass es ein dynamisches Jonglieren von unterschiedlich Bällen ist, die ihr Gewicht jeden Tag aufs Neue verändern. Im Idealfall kann ich im Vorfeld bereits entscheiden, welchen Ball ich fange und welchen ich fallen lassen werde. Manchmal funktioniert das aber auch nicht und ich muss spontan entscheiden. Wichtig ist nur, zu akzeptieren, dass Bälle definitiv herunterfallen werden, und ich damit „fein“ sein darf. Natürlich habe ich in den Jahren unterschiedlichste Tools zur Organisation der vielen Aufgaben verwendet. Der Game-Changer für mich war jedoch die Erkenntnis, dass es keine Vereinbarkeit gibt, sondern nur die Bereitschaft für meine täglichen Priorisierungen einzustehen und diese zu akzeptieren.

 

Was ist Dein größtes Learning seit Deiner Zeit im Sidepreneurship?

Ich habe gelernt, auf meine innere Stimme zu hören und mich neu zu erfinden, auf einem ganz anderen Gebiet, als mein ursprünglicher Job. Ich habe verstanden, wie wichtig das Netzwerken ist, und dass wir Frauen uns
gegenseitig so sehr unterstützen und ermutigen können.

Was bedeutet Erfolg für Dich heute und hat sich Deine Definition davon seit der Gründung verändert?

Durch die Gründung von JUNGSundMEER Jewelry konnte ich mein Verständnis von Erfolg erweitern und über mein Angestelltenverhältnis hinaus definieren. Man entdeckt neue Fähigkeiten und bekommt sehr viel Inspiration aus
der Gründerszene, mit der man als klassische Angestellte sonst eher nicht in Berührung kommt. Ich habe neue Role-Models für mich entdeckt und meinen Horizont erweitert.

Was ist Deiner Meinung nach der größte Irrtum über das Gründen „nebenbei“?

Bei meinen Vorträgen zum Thema nebenberufliches Gründen in der Lebensmitte bekomme ich häufig das Feedback, dass Frauen sich den Mehraufwand nicht zutrauen und dass sie Angst vor finanziellen oder steuerlichen Fehlern haben. Natürlich ist es wichtig sich im Vorfeld zu informieren, welche ersten Schritte (zB Gewerbeanmeldung, etc.) wichtig sind. Allerdings starten nebenberufliche Gründungen für gewöhnlich nicht als Bio-Tech Startup mit der Notwendigkeit eines größeren Investments. Man kann sich daher situationsabhängig entscheiden, wie stark man in die Öffentlichkeit geht und darüber den Verkauf und den Aufwand steuern. Biete ich meine Waren und Dienstleistungen im Rahmen von Märkten oder Popups an kann ich in Ruhe vorproduzieren im Gegenzug kann ich im Onlinehandel aber auch Mengen begrenzen und die Angaben zu Lieferzeiten an meine Kapazität anpassen. In Deutschland gibt es zusätzlich die Möglichkeit beim Finanzamt die Kleinunternehmer-Regelung zu beantragen. So dass bis zu einer bestimmten Umsatzhöhe eine einfachere Buchhaltung ausreicht.


Was wünschst Du Dir von Arbeitgeber:innen,damit mehr Menschen nebenberuflich gründen können?

Ich wünsche mir, dass Arbeitgeber:innen bewusst wird, wie sehr das Gründen die Selbtswirksamkeit und das Verständnis für Unternehmertum bei ihren Mitarbeiter:innen beflügeln kann. Als Gründerin darf ich Abseits meines Arbeitgebers neue Fähigkeiten entwickeln und traue mir auch viel mehr zu. Es ist quasi eine gratis Persönlichkeitsschulung, von der Arbeitgeber:innen profitieren. Für viele kann das Side-Business auch ein Ort sein, um Kraft und Motivation zu tanken, wenn es mal im Job oder Privatem nicht so gut läuft.

Gab es einen Moment, in dem Du alles hinschmeißen wolltest und was hat Dich davon abgehalten?

Ja, diese Momente gibt es natürlich immer wieder und das ist auch ganz normal. Gründung konfrontiert einen mit neuen Herausforderungen aber auch wunderbaren Momenten wie Erfolg und zwischenmenschlichen Begegnungen. Anders als im Angestelltenverhältnis ist man nicht von der Bewertung einzelner Vorsetzten abhängig, sondern profitiert von einem viel objektiveren und vielseitigeren Feedback – der freien Marktwirtschaft! Der Markt bewertet dich nicht anhand der Tatsache, ob Du alleinerziehend bist, in Teilzeit arbeitest oder vom Home Office aus aktiv bist. Für mich waren die Begegnungen mit meinen Kundinnen und das Feedback, dass ich häufig per Email bekomme, einfach überwältigend. Davon habe
ich immer tagelang zehren können.

Welchen Rat würdest Du jemandem geben, der ebenfalls mit dem Gedanken spielt, neben des Jobs ein Herzensprojekt zu starten?

Einfach anfangen und nicht in Schönheit sterben! Das Gründen ist eine Reise, die immer wieder neu justiert werden muss. Es macht daher keinen Sinn, sich alles bis ins kleinste Detail zu überlegen, es kommt meistens doch anders und so ist man offener für Inspiration. Womit ich gar nicht gerechnet habe, war die viele großartige Unterstützung von Frauen, die wesentlich weiter waren als ich. Seitdem habe ich mir auch ein komplett anderes Bild von Frauen machen können, als uns die Gesellschaft
vermittelt will.

Gibt es etwas, das Du heute komplett anders machen würdest, wenn Du noch einmal von vorn beginnen würdest?

Ich hätte früher mit Sozialen Medien angefangen. Was soll schon passieren? Wenn es nicht so gut läuft, wie gedacht, besteht immer die Möglichkeit Dinge anzupassen und zu ändern.

Zur Person

Karin Brunotte ist Gründerin von JUNGSundMEER Jewelry sowie seit über 25 Jahren erfolgreich in der IT- und Tech-Branche tätig. Nach einer Ausbildung zur Industrieelektronikerin, einer Umschulung zur IT-Fachkraft und einem BWL-Studium arbeitete sie als IT-Consultant in internationalen Projekten, unter anderem in Athen, London, Mailand und bei den Vereinten Nationen in Genf. Ihre nebenberufliche Gründung entstand aus dem Wunsch, ihre kreative Leidenschaft auszuleben und gleichzeitig ein eigenes Business aufzubauen. Mit JUNGSundMEER Jewelry kreiert sie heute handgefertigte Statement-Pieces und zeigt, dass auch kleine Ideen eine große Wirkung entfalten können. Als Sidepreneurin und Alleinerziehende steht Karin für Mut, Priorisierung und Selbstwirksamkeit. In Vorträgen ermutigt sie Frauen, ihre Ideen umzusetzen, Ängste loszulassen und einfach anzufangen.

Foto: Kerstin Keysers Fotografie