STRIVE Redaktion
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„Ich wünsche mir mehr Ehrlichkeit über das, was Familie mit unserer wirtschaftlichen Unabhängigkeit macht"

Anaïs Cosneau gehört zu den kraftvollsten Stimmen, wenn es um finanzielle Unabhängigkeit von Frauen geht. Als Gründerin des Happy Immo Clubs, dreifache Mutter und Aufsichtsrätin bringt sie Expertise und Haltung zusammen und kämpft für einen gerechteren Immobilienmarkt. Ein Gespräch über Eigentum als Hebel für Gleichstellung, Wut als Antrieb und was sie heute anders machen würde, wenn sie nochmal ganz von vorne anfangen könnte.

„Ich wünsche mir mehr Ehrlichkeit über das, was Familie mit unserer wirtschaftlichen Unabhängigkeit macht"
Anaïs Cosneau, Gründerin des Happy Immo Clubs. Foto: Alicia Minkwitz

Liebe Anaïs, stell Dich doch mal kurz vor: Wie sah Dein Weg bisher aus, und wie bist Du an den Punkt gelangt, an dem Du heute stehst?

Ich bin Anaïs Cosneau. Dreifache Mutter, Gründerin des Happy Immo Clubs, LinkedIn Top Voice, Aufsichtsrätin, Unternehmerin. Mein Weg führte über Paris, Aberdeen, Tokio, Singapur, Shanghai und irgendwann mitten rein in den deutschen Wohnungsmarkt. Ich habe Immobilienprojekte im Wert von über einer Milliarde Euro entwickelt, war lange auf der Seite der großen Player. Aber erst als ich selbst zur Käuferin wurde, habe ich verstanden, wie absurd dieses System ist, besonders für Frauen. Ich habe gesehen, was es heißt, mit Kindern einen Kredit zu bekommen. Wie Frauen bei Besichtigungen übergangen werden. Und wie viel Mut es braucht, sich Eigentum überhaupt zuzutrauen. Heute will ich nicht nur investieren, ich will verändern. Ich will, dass Frauen nicht mehr fragen müssen, ob sie dürfen. Sondern sich nehmen, was ihnen zusteht: Vermögen, Sicherheit und ein Stück Stadt.

Was hat Dich dazu bewogen, den Happy Immo Club zu gründen?

Ich war gerade frisch Mutter und plötzlich nicht mehr CEO-Material, sondern ein „Risiko“. Mir wurde geraten, erst mal zu Hause zu bleiben. Ich würde schon merken, dass ich keine Lust mehr auf Karriere habe. Aber das Gegenteil war der Fall: Ich hatte mehr Lust denn je. Und gleichzeitig zum ersten Mal das Gefühl, finanziell verwundbar zu sein. Also habe ich angefangen, Wohnungen zu kaufen. Obwohl ich vom Fach bin, war es ein krasser Schritt. Keine Freundin von mir war auf Besichtigungen. Keine war schon Eigentümerin. Und alle dachten: „Immobilien? Sind nichts für mich.“ Dabei war mir sofort klar: Wenn ich das kann, können das andere auch, aber eben nicht alleine. Deshalb: Club statt Einzelkämpferin. Ich wollte einen Ort schaffen, an dem Frauen ihre Fragen stellen können, ohne ausgelacht zu werden. Einen Ort, der sie ernst nimmt.

Gab es einen Moment, in dem Du alles hinschmeißen wolltest und was hat Dich davon abgehalten?

Oh ja. Mehr als einen. LinkedIn war so ein Moment: Ich habe gepostet, gedacht „das muss doch jetzt zünden“ und nichts. 100 Views, 20 Likes. Wochenlang. Ich war kurz davor, aufzugeben. Dann habe ich mir Profis an die Seite geholt, gelernt, was wirklich wirkt und heute ist LinkedIn meine stärkste Plattform. Gleiches bei Instagram. Wir hingen ewig bei 10.000 Follower:innen fest, kein Wachstum, kein Impact. Dann das richtige Team, die richtige Strategie und in wenigen Monaten auf über 40.000. Auch der Podcast dümpelte monatelang bei 200 Hörerinnen. Heute schreiben uns Frauen: „Ich habe durch euch gekauft.“ Ich hätte das alles fast hingeworfen. Aber ich konnte nicht. Denn ich weiß, wie viele Frauen auf genau diesen Ort warten. Was mich hält? Die Community. Und meine Wut auf Systeme, die uns klein halten und auf Stimmen, die sagen: „Sei doch froh, dass du überhaupt arbeiten darfst.“

Ihr setzt Euch für finanzielle Unabhängigkeit durch Immobilien ein. Wie kann der Immobilienmarkt einen Beitrag zur Gleichstellung leisten?

Ganz einfach: Eigentum bedeutet Macht. Wer nichts besitzt, hat weniger Spielraum. Der Immobilienmarkt ist nach wie vor eine Männerwelt. Aber er muss es nicht bleiben. Denn wer heute kauft, entscheidet mit, über Vermietung, Vererbung, Gestaltung. Ich kenne unzählige Geschichten: Ulla, die ins Haus ihres Mannes gezogen ist. Die Kinder kamen, sie blieb zu Hause. Nach der Trennung stand sie ohne alles da, heute lebt sie in einer Ein-Zimmer-Wohnung und kann ihre Kinder nur am Wochenende im Bett neben sich schlafen lassen. Oder Eva, 30, die mit ihrem Freund „gemeinsam“ gekauft hat. Aber er steht im Grundbuch. Er zahlt den Kredit. Und sie? Zahlt ihm Miete und damit seine Eigentumswohnung ab. Solche Geschichten passieren jeden Tag. Und sie zeigen: Finanzielle Abhängigkeit ist kein Gefühl, sie ist strukturell. Immobilien können das ändern.

 

Was sind die größten Hürden für Frauen auf dem Weg zur ersten Immobilie und wie begleitet Ihr sie konkret dabei?

Der Gedanke: „Das ist nichts für mich.“ Zu teuer. Zu riskant. Zu viel Verantwortung. Mit Kursen, Tools, Community und echten Expertinnen räumen wir damit Schritt für Schritt auf. Wir sprechen nicht nur über Rendite, sondern auch über Angst, Selbstzweifel, Mental Load. Denn: Die Zahlen sind wichtig, aber die innere Haltung entscheidet. Viele Frauen glauben, sie könnten sich das nicht leisten. Dabei ist der Einstieg oft leichter als bei Aktien oder ETFs: Bei Immobilien brauchst du nicht sofort das ganze Geld, du brauchst einen Plan. 10 % Eigenkapital, eine realistische Kalkulation und dann wächst dein Vermögen Monat für Monat. Und ja, es gibt auch Ängste. Vor Reparaturen, Messies oder dem Notartermin. Aber genau deshalb gibt’s uns. Wir feiern jede Frau, die kauft als wär’s unsere eigene Schwester.

 

Was sind Themen, über die in Deinem Businessumfeld noch zu wenig gesprochen wird?

Dass Care-Arbeit nicht nur ein Zeitproblem ist, sondern ein Kapitalproblem. Dass Frauen reihenweise aus dem Markt gedrängt werden, sobald sie schwanger sind. Und dass fast keine Frau, die ich kenne, eine Wohnung kauft, bevor sie ein Kind bekommt, weil „das jetzt nicht der richtige Zeitpunkt ist“. Aber wann ist er das schon? Männer kaufen Wohnungen mit 28, ohne Absicherung, ohne Netz, ohne Angst. Frauen warten, bis alles perfekt ist. Bis zum Mutterschutz. Bis zur Kita. Bis zur Scheidung. Und dann ist es oft zu spät. Ich wünsche mir mehr Ehrlichkeit über das, was Familie mit unserer wirtschaftlichen Unabhängigkeit macht. Und mehr Empowerment, den Moment zu nutzen, in dem alle anderen sagen: „Jetzt lieber nicht.“

 

Was war der schönste Moment, den Du bisher mit der Happy Immo Club Community erlebt hast?

Es sind viele. Aber die besten Momente kommen oft ganz leise, per DM, spät abends: „Ich hätte nie gedacht, dass ich das schaffe.“ „Ich hab meinem Ex die Wohnung abgekauft.“ „Ich bin jetzt Eigentümerin und das fühlt sich besser an als jede Beförderung.“ Oder wenn eine Frau beim Club einsteigt mit zitternden Händen und ein Jahr später anderen erklärt, wie ein Annuitätendarlehen funktioniert. Diese Momente sind unbezahlbar. Und genau dafür machen wir das.

 

Du bist zudem auch als Aufsichtsrätin aktiv, hast eine Genossenschaft mit gegründet, führst mehrere Unternehmen und hast drei Kinder. Wie gelingt dir die Balance zwischen Karriere und Privatleben? 

Ganz ehrlich? Es gibt keine Balance. Mein Mann und ich schmeißen alles zusammen: Finanzen, Kinder, Care, Immobilien. Wir denken als Team. Und wir planen so, dass beide wachsen können. Ich lasse bewusst Dinge liegen. Ich sage Nein zu Sachen, die mich auslaugen. Und ich habe mir ein Umfeld gebaut, das mich trägt, privat wie beruflich. Ich glaube nicht an das perfekte Gleichgewicht. Aber ich glaube an Klarheit: Was ist jetzt wirklich wichtig? Und was darf heute auch mal chaotisch sein?

 

Was sind Deine nächsten Schritte oder Ziele für die Zukunft?

Wir wollen noch viel mehr Frauen ins Eigentum bringen, auch die, die heute denken: „Ich hab gar kein Geld.“ Denn mit dem richtigen Plan ist oft mehr möglich, als sie glauben. Mit Cosneau Ventures entwickeln wir neue Formate für Frauen in Führung. Mit Immofemme denken wir Stadtentwicklung neu, jenseits von reinem Profitdenken. Und mit Happy Immo zeigen wir weiter: Finanzielle Bildung muss nicht langweilig, männlich oder elitär sein. Sie kann empowernd, konkret und emotional sein.

 

Was würdest Du heute anders machen, wenn Du noch einmal von vorne anfangen könntest?

Ich würde früher gründen. Früher Nein sagen, zu Investoren, zu Erwartungen, zu „sicheren“ Jobs. Und ich würde mir selbst früher glauben, wenn mein Bauchgefühl sagt: Das hier passt nicht. Ich würde nur noch mit Menschen arbeiten, die ans Produkt glauben und bereit sind, mit mir zu wachsen. Keine Retainer-Mentalität. Sondern echtes Commitment. Und ich würde jeder Frau sagen: Du musst niemandem etwas beweisen. Aber du darfst dir alles nehmen, was du brauchst.

Zur Person

Anaïs Cosneau ist Gründerin des Happy Immo Club, der ersten Plattform in Deutschland, die Frauen beim Weg in die eigene Immobilie unterstützt. Als Expertin für Immobilieninvestments und Female Empowerment vermittelt sie praxisnahes Wissen, begleitet Frauen beim Kauf ihrer ersten Wohnung und baut damit langfristig finanzielle Unabhängigkeit auf. Mit ihrer Kombination aus strategischem Know-how, einem klaren Blick für Marktchancen und einem starken Netzwerk schafft sie Zugänge zu einem Bereich, der für viele Frauen bislang Hürden bereithielt. Neben ihrer Rolle als Gründerin engagiert sich Cosneau als Speakerin und Mentorin und treibt so das Thema finanzielle Selbstbestimmung für Frauen in Deutschland maßgeblich voran.

Foto: Alicia Minkwitz