Overthinking macht krank. Und trotzdem zerdenken wir Dinge oft so lange, bis wir sie lieber gleich lassen. Wie wir mehr Leichtigkeit in unser Leben integrieren und welche zwei Fragen dabei helfen, erklärt Autorin Marie Luise Ritter im STRIVE-Interview.
Kristina Kreisel
vor 16 Tagen
"Wir machen uns zu viele Sorgen über Dinge, die eh nicht passieren”
"Von der Kunst, das Leben leicht zu nehmen" schreibt Marie Luise Ritter in ihrem neuen Buch, das im Juni erscheint. Mit STRIVE hat die 32-Jährige aus Berlin, die momentan in Paris lebt, schon jetzt über das so schöne und doch so diffuse Gefühl gesprochen – und darüber, was hilft, wenn der Kopf mal wieder die siebenunddreißigste Eventualitätsschleife dreht und nicht damit aufhören will.
STRIVE: Luise, was ist Leichtigkeit für Dich?
Luise: Gute Frage, tatsächlich ist Leichtigkeit etwas, das ich nicht leicht zu greifen finde. Für mich ist es ein Gefühl, das ich oft im Urlaub habe, wenn ich keine Termine habe, und eins, das einen häufig ganz unerwartet trifft, wenn sich einfach alles fügt, ohne dass es großer Anstrengung bedarf, und ich wenig darüber nachdenke, was ich heute noch machen muss oder will, was passieren könnte und ich einfach sein und mich auf den Moment einlassen kann.
Leider besteht der Großteil des Jahres ja nicht aus Urlaub. Was hilft, die Dinge auch im Alltag leichter zu nehmen?
Humor hilft. Und es gibt zwei Fragen, die ich mir immer wieder stelle und die mir helfen, Dinge wenigstens leichter zu nehmen. Die erste ist: Ist das, was mich gerade nervt, aufregt, wütend macht, in fünf Jahren noch relevant? Meine verstorbene Freundin Kim hat immer gesagt: Wenn es in fünf Jahren keine Rolle mehr spielt, sollte man sich nicht länger als fünf Minuten darüber Gedanken machen. Daran versuche ich jeden Tag zu denken.
"Was würde die 8-jährige Luise sagen?"
Dieser kleine „Reality-Check“ erleichtert es mir auch, zu unterscheiden, was wirklich schlimm ist – und was eben nicht und was ich deswegen bewusst leichter nehmen möchte. Wir alle haben pro Tag ein Glas Energie zur Verfügung – so stelle ich es mir jedenfalls bildlich vor – und das will ich mir gut einteilen und nicht auf Dinge investieren, die es in Wahrheit gar nicht wert sind. Eine ausgefallene Bahn oder ein verpasster Termin scheinen mir mit diesem Schritt zurück zum Beispiel keine gute Energie-Investition mehr.
Was ist die zweite Frage, die Dir hilft, leichter durch den Alltag zu gehen?
Ich frage mich, was die 8-jährige Luise tun oder sagen würde. Gerade wenn man über 30 ist, hat man oft das Gefühl, es muss alles Sinn ergeben, man muss seriös und souverän sein und überlegt viel zu häufig, wie kommt etwas an, was könnte er oder sie denken, als sich selbst zu fragen: Was will ich denn?
Auf dieses "innere Kind" zu hören, führt außerdem dazu, dass ich häufiger Nein sage, bessere Grenze ziehe und mein Leben weniger vollstopfe mit Dingen, die ich eigentlich gar nicht möchte. Darum gibt es mir persönlich sehr viel Leichtigkeit, wenn ich regelmäßig auf die 8-jährige Luise höre.
Manche Dinge sind zu groß und zu schwer, als dass man sie leicht nehmen könnte. Was sind für Dich Dinge, die sich im Alltag gut leichter nehmen lassen?
Das stimmt. Jede:r hat in seinem Leben Themen, die zu einschneidend sind, als dass man sie „leicht“ nehmen könnte und ich bin mir auch sehr bewusst, dass ich sehr privilegiert bin, mein Leben so leben zu können, wie ich es tue. Oft sind es aber genau die kleinen Dinge, denen wir große Macht über uns geben.
Wenn im Job zum Beispiel etwas nicht so funktioniert hat in einem Meeting, wie ich es mir vorgestellt habe, wenn mir das Essen misslingt, wenn ich für eine Freundin koche, ich beim Yoga abloose oder das Internet mal wieder lahm ist – das sind alles Dinge, die objektiv meistens nicht so schlimm sind, wie sie sich zuerst anfühlen mögen und bei denen ich aktiv entscheiden kann: Will ich das jetzt dramatisieren oder lasse ich es einfach mal so geschehen, akzeptiere, wie es ist, und mache das Beste draus? Ich glaube, dass wir uns alle viel zu viele Sorgen über Dinge machen, die eh nie passieren werden, und uns mit diesem ständigen Overthinking unnötig die Leichtigkeit nehmen, die das Leben so viel schöner macht.
"Mutig sein hilft bei der Leichtigkeit."
Du bist allein durch Nicaragua gereist, bist spontan nach Mallorca ausgewandert, gerade wohnst du für den Sommer in Paris. Gehört zu Leichtigkeit auch Mut?
Auf jeden Fall. Wenngleich mein Leben sicher nicht dem „normalen“ Weg entspricht und nichts für jede:n ist. Mut kann für mich etwas vollkommen anderes sein als für Dich. Aber ich glaube schon, dass Mut zu mehr Leichtigkeit führen kann, wenn man versucht, sich wirklich auf Dinge einzulassen und nicht alles im Vorhinein zu zerdenken.
Letzte Frage, Luise: Was war der Auslöser dafür, dass du ein Buch über Leichtigkeit geschrieben hast?
Das war der Moment, in dem ich meine Leichtigkeit verloren hatte. Ich hatte in den letzten zwei Jahren eine ganz, ganz leichte Zeit, bin spontan ans Meer gezogen, alles hat sich gefühlt ergeben – bis mich die Realität getroffen hat, weil meine Untermieterin erst meine Wohnung in Berlin zerstört hat und mir danach ein Gerichtsverfahren beschert hat.
Das war für mich der absolute Horror. Ich lag nächtelang mit Panikattacken wach und irgendwie hat sich jeder Tag nur noch mühsam angefühlt. Als ich das realisiert habe, habe ich angefangen mich damit zu beschäftigen, wie ich meine Leichtigkeit zurückbekommen kann, auch wenn ich die Situation an sich gerade nicht ändern kann.
Ist denn alles gut ausgegangen mit Deiner Wohnung und dem Verfahren?
Zumindest ist die Sache jetzt durch, und durchs ständige Sorgen machen habe ich den Ausgang nicht verändern können. Rückblickend würde ich mir wünschen, ich hätte einiges zwischendurch leichter genommen. Das Leben passiert eben einfach.
Zur Person
Marie Luise Ritter (32) ist Autorin und Gründerin des Blogs luiseliebt.de. Am 27. Juni erscheint mit „Von der Kunst, das Leben leicht zu nehmen“ ihr viertes Buch im Piper-Verlag. Auf Instagram spricht die studierte Journalistin nicht nur über Leichtigkeit, sondern auch über das Alleinsein, Dating und die Suche nach Liebe zu anderen und sich selbst. Immer mit dabei: ihre Mops-Dame Penny.