Was hat Sie fachlich am meisten erstaunt?
Dass jeder seinen eigenen Weg gehen kann. Der Grund, warum ich für Danone und damit einen großen Lebensmittelkonzern arbeite, der zweifelsohne oft genug und teilweise auch zurecht in der Kritik stand, ist, dass ich hier mit vielen Menschen zusammenarbeiten kann, die von sozialen und ökologischen Überzeugungen getrieben sind. Ich habe sehr früh in meiner Karriere direkt an die Geschäftsführung berichtet und war anfangs heillos überfordert mit der Aufgabe und der Verantwortung. Damals war meine erste Intuition, dass ich mir gewünscht hätte, dass mir jemand genau sagt, was ich zu tun habe und vor allem wie. Was mir aber am meisten geholfen hat, war das Vertrauen meiner Vorgesetzten und die Unterstützung darin, für meine Überzeugungen zu kämpfen – unabhängig von Level, Berufserfahrung oder Geschlecht. Am Ende ist die Kernfrage doch immer, warum man etwas tut. Das „wie“ ergibt sich dann wesentlich einfacher.
Was war die größte Herausforderung, die Sie dabei überwinden mussten?
Ich musste und muss immer noch meinen Anspruch an mich selbst und meine Arbeit regulieren. Das 80/20 Prinzip fällt mir bis heute schwer, sowohl im privaten als auch im beruflichen Kontext. Was nur dabei hilft, ist der Fokus auf die Vision, die ich verfolge und mein Optimismus.
Was hat Sie auf Ihrem Weg bislang immer weitergebracht?
Das sind drei Dinge. Auf der einen Seite höre ich immer auf mein Bauchgefühl. Wenn sich etwas nicht richtig anfühlt, dann ist es das meiner Erfahrung nach auch nicht und das zeigt sich dann in faktischen Ergebnissen. Auf der anderen Seite bin ich sehr resilient und das schon seit meiner Kindheit. Schlussendlich ist der wichtigste Faktor für mich aber Vulnerable Leadership. Ich glaube daran, dass man mit Unsicherheiten offen umgehen sollte, Sorgen und Herausforderungen offen benennen muss. Sich verletzlich zu zeigen und das Team an sich ranzulassen bedeutet auch, dass man über sich selbst und die eigenen Fauxpas lachen kann. Gleichzeitig bedeutet es für mich auch, Verantwortung nicht nur zu übernehmen, sondern vor allem zu teilen. Wer Verantwortung auf viele Schultern verteilt, fördert Innovation und Teamgeist. Lea-Sophie Cramer hatte das auf LinkedIn sehr gut zusammengefasst.
Was hat Sie immer behindert?
Mir ist es lange Zeit schwergefallen, zu Projekten schlichtweg nein zu sagen. Man kann immer mehr machen, abends noch eine Stunde länger arbeiten oder eine private Verabredung absagen, um den E-Maileingang ordentlich zu halten. Aber man sollte sich jedes Mal fragen, ob die zu erledigende Aufgabe dem Unternehmen und den Menschen einen sozialen, ökologischen oder wirtschaftlichen Mehrwert bietet. Wenn das nicht der Fall ist, entscheide ich mich dafür, stattdessen meine Batterien aufzuladen und neue Inspiration zu suchen.
Was muss eingetreten sein, damit Sie sagen Sie waren erfolgreich?
Zunächst einmal muss ich von der Initiative oder dem Projekt, um das es geht, überzeugt sein und dafür brennen. Außerdem brauche ich viel Freiheit in der Strategieentwicklung, Zielsetzung, Konzeption und Umsetzung. Das macht es meinen Führungskräften zugegebenermaßen manchmal nicht leicht. Der wichtigste Faktor ist für mich aber das Team. Das Ergebnis eines Projekts ist in meinen Augen nur so gut wie die Menschen dahinter. Und wenn das Projekt scheitert, dann wird ein gutes Team wichtige Learnings daraus für andere generieren und transparent damit umgehen. Ich brauche eine gelebte Fehlerkultur und bin Frau Dr. Merkel sehr dankbar, dass sie das den Deutschen etwas näher gebracht hat.
Was werten Sie als Ihren größten Erfolg?
Ich tue mich immer etwas schwer damit, Erfolge in der Retrospektive zu betrachten. Natürlich bin ich stolz darauf, Teil des Teams zu sein, dass die Lebensmittelkennzeichnung „Nutri-Score“ in Deutschland eingeführt hat oder in Deutschland mit Unternehmen wie Tony’s Chocolonely, Patagonia oder Ecosia die B Corp-Bewegung mit nach vorne treibt und so dazu beiträgt, dass unternehmerischer Erfolg nicht mehr nur auf finanziellen Kennzahlen, sondern genauso auf ökologischen und sozialen Faktoren beruht. Genauso freue ich mich, dass Traditionsmarken wie Activia pflanzenbasierte Alternativen auf den Markt bringen und somit zu einer flexitarischen Ernährung beitragen. Aber am Ende ist es für mich der größte Erfolg, wenn ich sehe, dass sich die Menschen in meinem Team weiterentwickeln können, Verantwortung für ihre Handlungen übernehmen und den Status Quo nicht als gegeben hinnehmen.
Was als Ihren größten Misserfolg?
Ich glaube, dass ich aus allen Fehlern, die ich gemacht habe, immer etwas gelernt habe und diese Erkenntnis sehr bewusst und ehrlich weitergebe. Natürlich haben wir Produkte entwickelt, die sich dann nicht auf dem Markt gehalten haben oder uns Petitionen überlegt, die wir nicht umsetzen konnten. Ich halte aber nichts davon, sich in eine Negativ-Spirale zu begeben und sich wieder und wieder dafür zu verurteilen, was man verbockt hat. Daraus entsteht nichts Neues, sondern nur Destruktivität.
Was ist Ihre Vision für Ihr Unternehmen?
Danone hat seit dem Sommer 2020 eine neue Rechtsform, das Unternehmen ist eine „Entreprise à Mission“, ein „Unternehmen mit Mission“. Das bedeutet, dass unsere Ziele in den Bereichen Soziales, Umwelt und Gesundheit in unserer Satzung verankert sind. Die Erfüllung dieser Ziele wird von einem unabhängigen Board kontrolliert. Damit ist Danone nicht nur das erste börsennotierte Unternehmen überhaupt, sondern auch das weltweit größte Unternehmen, das diesen Status erhält. Meine Vision ist, dass wir uns noch weiter entfernen von zukunftsorientierten Versprechen und noch stärker konkrete Ergebnisse liefern, beispielsweise durch die Reduktion von CO2-Emissionen, die Vermeidung von Plastik und die Verwendung recycelter Materialien.
Wenn Sie einen Tag lang an den Schalthebeln der Macht sitzen würden, was würden Sie tun?
Ich würde alles daransetzen, dass wir in Deutschland das Ziel des Pariser Abkommens und des 1,5°C-Ziels einhalten. Für Deutschland also ganz konkret, Nettonull bis 2035, Kohleausstieg bis 2030 und 100 Prozent erneuerbare Energieversorgung bis 2035. Das sind dieselben Forderungen, die Fridays For Future hat und ich bin bis heute dankbar, dass Danone die Teilnahme von Mitarbeiter:innen an den Streiks, sei es digital oder real, unterstützt.