Kolumne | Julia Bösch zählt zu Deutschlands erfolgreichsten und bekanntesten Gründer:innen. Die 37-Jährige ist CEO und Mitgründerin von Outfittery, einem der innovativsten E-Commerce-Unternehmen in Europa. Die Unternehmerin spricht mit uns über Recruitung und verrät uns, wie es gelingt, die eigenen Mitarbeiter:innen richtig kennenzulernen.
Julia Bösch
vor 19 Tagen
Recruiting 2022: Nackig machen, ohne sich auszuziehen
„We want YOU“ – mit diesen und ähnlichen Worten suchen Unternehmen heute Talente. Als Unternehmerin und Gründerin von Outfittery weiß ich nur zu gut, wie wichtig Mitarbeiter:innen mit Know-how und Ambitionen sind. Und wie schwer es ist, sie zu finden und zu binden. Deshalb habe ich mich schon immer intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt. Dabei geht es für mich nicht allein darum, die besten Köpfe einzustellen; diese müssen auch an der richtigen Stelle eingesetzt und gefördert werden. Und ganz wichtig: Idealer Weise baut man ein Vertrauensverhältnis auf, das in beide Richtungen funktioniert. Denn Vertrauen ist die Basis für gute Zusammenarbeit. Vertraut man einander und kennt sein Gegenüber, fällt es im Umgang viel leichter den richtigen Ton zu treffen, also Mitarbeiter:innen zu motivieren und anzuspornen, so dass die Zusammenarbeit im Ergebnis Spaß macht.
Vertrauen ist wichtig, wenn man sich kennenlernen möchte.
Vertrauen setzt allerdings ein gegenseitiges intensives Kennenlernen voraus. Das geht weit über die Stationen im CV hinaus und die Kenntnis von Fähigkeiten oder beruflichen Zielen. Aber wie funktioniert das? Wie lernt man seine Mitarbeiter:innen kennen und sie einen? Irgendwo habe ich mal gelesen, dass man mit einer Person eine bestimmte Anzahl an Stunden verbringen muss, um Vertrauen zu fassen. Vertrauen ist wichtig, wenn man sich kennenlernen möchte. Schließlich offenbart man seine Persönlichkeit nur, wenn man jemandem vertraut.
Bei Kolleg:innen, die im gleichen Raum sitzen geht das schnell. Aber wie funktioniert es zwischen Geschäftsführung und Team? Ich habe früher oft Missverständnisse beim Kennenlernen neuer Mitarbeiter:innen erlebt. Meine intensiven Fragen, um Sie besser kennenzulernen, wurden oft als Misstrauen an ihre Fähigkeiten etc. fehlinterpretiert. Viele Menschen fühlen sich durch intensive Fragen verunsichert und machen dann eher ‚dicht‘. Dieses ‚Dichtmachen‘ verhindert einerseits ein echtes Kennenlernen und andererseits einen offenen Austausch.
Mit so einem Profil macht man sich ziemlich nackig und offenbart ein Stück von sich selbst.
Dann kam unser neuer CMO und änderte durch seinen Onboarding-Prozess vieles. Von ihm durfte ich lernen, wie ich mein Team und mein Team mich anfangs leichter kennenlernen kann. Er stellte sich dem Team mit einer "Anleitung zu sich selbst" vor. Inklusive einem kompletten Persönlichkeitsprofil und Tipps, wie man am besten mit ihm arbeiten kann. Mit so einem Profil macht man sich ziemlich nackig und offenbart ein Stück von sich selbst. Aber das ist gut. Schließlich arbeitet man mit Menschen und nicht mit Lebensläufen und Stationen.
Wenn heute neue Mitarbeiter:innen anfangen, gebe ich ihnen die Möglichkeit ihre ganz eigene Due Diligence über mich zu machen, teile mit ihnen eine Art Q&A zu meiner Person und gebe auch ihnen die Möglichkeit, durch Beantwortung von Fragen etwas von sich zu zeigen. Auf diese Weise lernen wir uns jetzt schon seit einiger Zeit bei Outfittery kennen und machen uns damit nackig, ohne uns dabei auszuziehen. Unsere Mission ist ja auch eine andere: Business Männer und Frauen noch besser anzuziehen.
Über die Autorin
Julia Bösch ist CEO und Mitgründerin von OUTFITTERY, Europas führender Personal Shopping Service für Frauen und Männer. Ihre berufliche Karriere startete sie 2009 bei Zalando. Begeistert vom E-Commerce und seinen technologischen Möglichkeiten, gründete sie 2012 gemeinsam mit Anna Alex OUTFITTERY. Die 37-jährige zählt zu Deutschlands erfolgreichsten und bekanntesten Gründer:innen und hat eines der innovativsten E- Commerce-Unternehmen in Europa aufgebaut.