Was sind weitere potenzielle Alarmzeichen?
Auch fehlende Wertschätzung und ständige Schuldzuweisungen sind meiner Ansicht nach wichtige Anzeichen. Genauso ist es wichtig hinzusehen, wenn Führungskräfte sich für alles die Lorbeeren einsammeln, aber bei Misserfolgen keine Verantwortung, geschweige denn Selbstreflexion, übernehmen.
Was rätst Du Menschen, die sich hier wiederfinden und das Gefühl haben, ebenfalls in einem toxischen Umfeld zu arbeiten?
Mein Rat wäre erstens, die Herausforderungen sowie Feedback auf Augenhöhe zu kommunizieren. Selbst, wenn die Gefahr besteht, gegen eine Wand zu sprechen. Auch wenn es schwerfällt, gibt es die Chance, dass Dinge besser gemacht werden können. Für einen selbst ist es immer ein gutes Gefühl zu wissen, dass man es ernsthaft probiert hat.
Und zweitens?
Zudem ist es hilfreich, sich zu fragen, ob man sich gerade nur in einer schlechten Phase befindet und ob es Aussicht auf Besserung gibt. Das Leben besteht immer aus Phasen und auch im Job wird es diese immer geben. Die Frage ist, ob man mit dem Status quo leben könnte. Wenn nicht, liegt es an mir, meine Situation zu ändern.
Wann ist eine Kündigung unausweichlich?
Eine Kündigung muss nicht immer der erste Schritt sein. Aber wenn sich trotz mehrfacher Versuche nichts ändert, ist sie oft der gesündeste. Was mir kurzfristig geholfen hat, ist, eine emotionale Distanz zu meinem Job aufzubauen. Ich habe aufgehört, darin Selbstverwirklichung und Erfüllung zu sehen. Gleichzeitig empfehle ich, sich frühzeitig nach anderen Möglichkeiten umzusehen. Ja, das ist anstrengend. Aber ein Plan B gibt Sicherheit und stärkt das eigene Gefühl von Kontrolle.
Nehmen wir mal an: Du würdest wieder fest für eine Firma arbeiten. Was würdest Du heute anders machen, um das Risiko zu minimieren, erneut Teil eines toxischen Systems zu werden?
Ich würde jetzt schneller Grenzen setzen bzw. diese auch klar kommunizieren. Ich hatte früher immer Angst davor. Nicht, weil ich generell kein Feedback gegeben habe. Das habe ich mehrfach. Doch klare Grenzen zu setzen, ist irgendwie nochmal eine andere Sache. “Nein” zu sagen, fällt im beruflichen Kontext den wenigsten leicht. Wichtig ist auch, sich bewusst zu machen: Ich bin nicht zu sensibel oder zu schwach. Meine Emotionen und Gefühle sind berechtigt und das in jeder Lebenssituation. Vor allem dann, wenn wir unser Bestmögliches geben.
Warum findest Du das so wichtig?
Die Gefahr, sich in ungesunden Jobsituationen zu verlieren und diese als “normal” zu betrachten, ist vor allem bei jungen Menschen hoch. Wäre diese Erfahrung meine erste berufliche Station gewesen, weiß ich nicht, wie das ausgegangen wäre. Deshalb spreche ich offen darüber, um etwas zu bewegen und anderen zu helfen.