Hannah Andresen

20. Februar 2023

5 Min. Lesedauer

Kann man auch ohne Einser-Abi erfolgreich werden, Alexander Graf?

Interview | Alexander Graf ist leidenschaftlicher Unternehmer und Seriengründer und gilt als einer der wichtigsten E-Commerce- und Digital-Expert:innen Deutschlands. Sein Motto lautet "Innovate or die" – was dahintersteckt, was seine Schullaufbahn für einen Einfluss auf seinen Werdegang als Unternehmer hatte und welche Skills es heutzutage als Gründer:in braucht, verrät er uns im Interview.

Kann man auch ohne Einser-Abi erfolgreich werden, Alexander Graf?
Kann man auch ohne Einser-Abi erfolgreich werden, Alexander Graf?

In einem LinkedIn-Post schreibst Du darüber, dass Du nicht unglücklich über eine 6- im Französischunterricht und Dein durchschnittliches Abitur bist. Warum?

Über meine 6-- (Doppelminus) war ich enorm unglücklich, weil ja eine „normale“ 6 bedeutet, dass man alles falsch gemacht hat. Das Doppelminus fühlte sich dann so an, als wäre ich der Oberidiot. Das durchschnittliche Abi war im Nachhinein super für mich, weil ich so recht früh im E-Commerce starten konnte, als das noch nicht sexy war. Ohnehin wollte kaum jemand im Handel arbeiten, außer bei den großen Handelsmarken wie Beiersdorf und Henkel. Glück im Unglück also.

Inwiefern hat Dich Dein Engagement im Abiball-Komitee auf Deine Rolle als Unternehmer vorbereitet?

Vom Abiball-Komitee ging es weiter in die Abiparty meiner Schule, die zur Abiparty aller Kieler Schulen geführt hat und das wiederum hat mein ganzes Unternehmertum in Gang gebracht. Mein Co-Founder bei den Abipartys hat dann nebenbei noch einen Club in Kiel gegründet. Das war mir zu heiß, so dass ich da nur als Türsteher ausgeholfen habe. Aber so hat alles im Grunde genommen angefangen. Man muss einfach machen.

Was für Skills braucht es als Unternehmer:in, die man nicht in einer Unternehmensberatung lernen kann?

Optimismus, Lösungen sehen – nicht so sehr Probleme. Sich und Ideen verkaufen können. Menschen überzeugen mitzumachen. Vertrauen gewinnen nur durch Storytelling. Das sind alles Dinge, die Unternehmer:innen brauchen und die man kaum lernen kann.

Und andersherum: Was lernt man als Unternehmer:in, was einem als Arbeitnehmer „verborgen“ bleibt? Steuererklärungen und andere kleine und große Verwaltungsaufgaben. Als wir „damals“ angefangen haben, wurden gerade die Mini Jobs eingeführt – das hat sehr geholfen. Aber auch da hat alles seine guten Seiten – meine heutige Frau, die Barkeeperin auf einer Party von uns war, habe ich zum ersten Date eingeladen, als ich ihr ihre Lohnsteuerkarte zurückgegeben habe. Quasi ein sehr nachhaltiger Verwaltungsakt.

"Ich begebe mich nur in Abhängigkeiten, die ich kontrollieren kann - finanziell, betriebswirtschaftlich und menschlich."

Dein Motto lautet “Innovate or die“ –  wie schaffst Du es, Dinge immer wieder neu zu erfinden? Woraus ziehst Du Deine Inspiration?

Ich begebe mich immer nur in Abhängigkeiten, die ich kontrollieren kann – finanziell, betriebswirtschaftlich oder menschlich. Es gibt bei mir nie diesen „Goodbye Deutschland – die Auswanderer“-Moment, bei dem ich all meine Ersparnisse und die meiner Eltern auf eine Karte setze. Damit bleibt Platz für Rückschläge, die es braucht, um voranzukommen. Außerdem finde ich diese 100-Stunden-Woche-Mentalität komplett unnötig. Man muss dafür sorgen, viele besonders produktive Stunden zu haben, und das geht nur mit Gelassenheit. Lieber zehn Stunden gute Gespräche und Ideen, als 100 Stunden die Woche Krypto-Kurse auf Instagram verticken.

Mit gleich drei erfolgreichen Gründungen von Factor A, Etribes und Spryker hast Du die Digitalbranche in Deutschland maßgeblich geprägt. Was ist Dein Tipp an junge Gründer:innen, die ihr Unternehmen erfolgreich machen wollen? Einfach machen – lasst euch nicht beeindrucken. Jeder und alles veraltet, auch Amazon, Zalando und Instagram. Wer schneller lernt und macht als andere, gewinnt – egal wie viel Geld im Spiel ist. Das beste Beispiel dafür ist die Creator-Economy.

Welche Skills werden Deiner Meinung nach in der Zukunft allgemein wichtig sein? Der Skill zu lernen, sich anzupassen an neue Begebenheiten, die Fähigkeit, Menschen zu überzeugen.

"Lieber ein:e guter Chef:in in einem Betrieb mit 50 Leuten, als ein:e Schwachmat:in als direkte:n Vorgesetze:n bei Audi oder Siemens."

Wie finden junge Menschen und Berufseinsteiger:innen den richtigen Company Fit? Den braucht es nicht – man sollte als Berufseinsteiger:in den richtigen Chef:innen-Fit suchen. Lieber ein:e guter Chef:in in einem Betrieb mit 50 Leuten, als ein:e Schwachmat:in als direkte:n Vorgesetze:n bei Audi oder Siemens.

Worauf achtest Du selbst bei Lebensläufen von Bewerber:innen?

Ich lese keine Lebensläufe. Ich gehe in die Bewerbungsgespräche ohne zu schauen, was die Leute vorher genau gemacht haben. Das erzählen sie ja ohnehin im Gespräch.

Zur Person

Alexander Graf, Jahrgang 1980, ist Seriengründer und E-Commerce-Unternehmer. Als CEO von Spryker, einem Softwareunternehmen für Digital Commerce, gestaltet er die Disruption von transaktionalem Business jeder Art. Wann immer es um die Digitalisierung des Handels geht, ist Alexander Graf als Host des Branchen-Podcasts „Kassenzone“ ein gefragter Experte. Neben Spryker hat er unter anderem die Amazon-Marketing-Agentur Factor A und Digitalberatung Etribes mitgegründet. Auch an der Enstehung von About You war er beteiligt. Mit seinen Geschäftspartner:innen hat er zwei Dutzend Unternehmen initiiert, gegründet und/ oder finanziert.

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