Viola Weller
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Ich bin keine Perfektionistin und genau das ist meine Stärke

"Perfekt" klingt erstmal super. Oder nicht? Viola Weller hat dem Perfektionismus dennoch abgeschworen. Denn sie sagt: Wer immer alles perfekt machen will, nimmt sich Leichtigkeit und Kreativität und Mitarbeitenden oft Raum und Sicherheit. Wieso diese Haltung einem hohen Leistungsanspruch nicht entgegensteht und warum Perfektionismus gerade in Startups häufig kontraproduktiv ist, erklärt sie hier.

Ich bin keine Perfektionistin und genau das ist meine Stärke
"Wenn man Perfektionismus ausstrahlt oder ihn als Maßstab anlegt, erzeugt man Unsicherheit", sagt Viola Weller. Foto: Vlace

Als Unternehmerin jongliert man täglich mit den unterschiedlichsten Aufgaben: Finanzierung, Produktentwicklung, Marketing, Vertrieb, Teamführung. Es ist schlicht unmöglich, in jedem Bereich perfekt zu sein. Und ganz ehrlich: Seit einiger Zeit versuche ich das auch gar nicht mehr: Ich habe gelernt, dass mich Perfektionismus gerade beim Gründen mehr bremst als voranbringt. Manche Themen liegen einem näher, andere sind komplettes Neuland und das ist normal. Würde ich bei jeder Aufgabe auf Perfektion setzen, würde ich nie fertig werden.


Warum ich Perfektion nicht mehr erreichen will


Ich habe verstanden, dass es oft besser ist, etwas gut fertigzustellen, als ewig daran zu feilen. Denn während man versucht, eine Aufgabe auf das Maximum zu optimieren, bleibt ein anderes Thema liegen. Die Kunst liegt darin, Prioritäten zu setzen und Ressourcen bewusst zu verteilen. Manchmal reicht „gut“ völlig aus, um voranzukommen und die gewonnene Zeit und Energie sind in einem anderen Bereich sehr viel wertvoller.


Auch im Umgang mit Mitarbeiter:innen spüre ich das. Wenn man Perfektionismus ausstrahlt oder ihn als Maßstab anlegt, erzeugt man Unsicherheit. Menschen trauen sich weniger, eigene Ideen einzubringen, weil sie Angst haben, Fehler zu machen oder nicht zu genügen. Doch gerade Fehler bringen uns weiter. Sie zeigen Schwachstellen auf, bringen neue Perspektiven oder führen zu Lösungen, die man in einem rein theoretischen, perfekten Plan nie gefunden hätte. Perfektionismus nimmt dem Arbeiten die Leichtigkeit und der Kreativität den Raum. Stattdessen geht es darum, ein Umfeld zu schaffen, in dem Ausprobieren, Lernen und auch Scheitern erlaubt sind. Genau daraus entstehen Fortschritte und Innovationen.

Warum Perfektionismus und ein hoher Qualitätsanspruch kein Gegensatz sind


Natürlich heißt das nicht, dass Qualität keine Rolle spielt. Qualität ist wichtig, gerade wenn es um Produkte geht, die lange halten und nachhaltig sein müssen. Aber Qualität ist nicht dasselbe wie Perfektion. Qualität bedeutet Verlässlichkeit, während Perfektion eine Illusion bzw. ein sich ständig verschiebendes Ziel ist, das oft unerreichbar bleibt und nur Energie raubt. 


Während meiner Schulzeit bin ich mit meinem Arbeitsstil angeeckt. Dort wurde stets Perfektion eingefordert: Fehler standen im Vordergrund, nicht die Ziele oder Fortschritte, die man erreicht hatte. Dieser Fokus erzeugte enormen Druck, so sehr, dass ich schnell unsicher wurde und begann, mich selbst als nicht kompetent wahrzunehmen.


Heute sehe ich das anders: Perfektionismus ist für mich kein Ziel mehr, sondern eher ein Hindernis. Ich betrachte Unvollkommenheit inzwischen als Chance: Sie ermöglicht Geschwindigkeit, fördert Kreativität und macht Unternehmen beweglich. Wer immer nur auf Perfektion wartet, verpasst Gelegenheiten. Wer hingegen handelt und loslegt, auch mit unvollständigen oder vermeintlich unperfekten Schritten, sammelt Erfahrungen, lernt und wächst.

Foto: Vlace

Zur Person

Viola Weller (29) ist Gründerin des veganen Sneakerlabels Vlace, das Schuhe aus Abfallprodukten der Obstindustrie herstellt.