Die besten Führungskräfte machen sich verzichtbar, findet Nils Greinert. Der 35-Jährige führt das Marketing-Team einer Unternehmensberatung und ist überzeugt: Nur wer sich Stück für Stück überflüssig macht, führt wirklich gut. In seinem Gastbeitrag erklärt er, warum er das nicht immer so gesehen hat und was es braucht, damit Mitarbeitende eigenständig bestmöglich entscheiden können.
Nils Greinert
vor 3 Tagen
Führungskräfte: Macht Euch überflüssig!

Ich weiß nicht, wie oft ich mir früher eingeredet habe: Als Führungskraft musst Du alles können. Nicht perfekt, aber so gut, dass Du überall mitreden kannst. Bloß nicht zugeben, dass Dir was fehlt.
Damals wusste ich es noch nicht: Aber diese Haltung hat mich jahrelang gebremst. Und meinem Team geschadet. Ich habe versucht, Expert:innen auf ihrem eigenen Spielfeld zu coachen, statt ihnen einfach das verdammte Spiel zu überlassen.
Wieso glaubte ich, überall den Hut aufhaben zu müssen?
Ich bin mittlerweile seit vielen Jahren das, was man einen Head of Marketing nennt. Und rückblickend frage ich mich: Wieso habe ich so lange geglaubt, dass ich überall den Hut aufhaben muss?
Die Antwort ist eigentlich ganz einfach: Ego ist das Stichwort.
Aber nicht nur. Ich habe früher im Marketing vieles allein gemacht. Ich war eine One-Man-Show. Alles, was da war, war irgendwie mein Baby. Ich habe jede Landingpage, jeden Newsletter, jede Kampagne selbst betreut. Da fiel es mir wahnsinnig schwer, abzugeben. Und noch schwerer, zu akzeptieren, dass andere es anders machen. Nicht schlechter oder besser, aber eben nicht so wie ich. Dieses Umschalten im Kopf, dieses Loslassen, das war ein echter Prozess.
Führen heißt, sich verzichtbar zu machen
Heute weiß ich: Führen heißt nichts von meinen alten Glaubenssätzen. Führen heißt das komplette Gegenteil. Und zwar, sich verzichtbar zu machen.
Mein Ziel heute ist also, dass mein Team selbst die besten Entscheidungen trifft, ohne mich. Für mich ist das die ehrlichste Form von Führung: Ich mache mich Stück für Stück überflüssig. Und damit das funktioniert, braucht es drei Dinge.
1. Transparenz
Entscheidungen brauchen Kontext. Wenn ich will, dass mein Team mitdenkt, muss ich offenlegen, was ich weiß. Ziele, Daten, Abhängigkeiten, alles auf den Tisch. Ich teile, woran ich arbeite. Ich erkläre, wie bestimmte Entscheidungen zustande kommen. Und ich halte nichts zurück, was dem Team helfen könnte, bessere Entscheidungen zu treffen. Transparenz ist kein Kontrollverlust. Es ist die Voraussetzung für Vertrauen.
2. Befähigung
Niemand wird über Nacht souverän. Ich investiere gezielt in Wissen und Skills. Nicht in Form von PowerPoint-Fortbildungen, sondern durch echte Projekte, Feedback und Verantwortung. Das bedeutet auch: Ich lasse Menschen Aufgaben übernehmen, bei denen ich selbst vielleicht auch mal schneller wäre. Aber genau da liegt der Hebel.
3. Sicherheit
Führung ohne psychologische Sicherheit ist Kontrolle mit nettem Anstrich. Ich will ein Umfeld schaffen, in dem Fehler erlaubt sind. In dem man sich ausprobiert, Fragen stellt, auch mal stolpert. Wenn Menschen spüren, dass sie nicht verurteilt werden, sondern gehört werden, dann fangen sie an, Verantwortung zu übernehmen. Sicherheit ist am Ende nichts anderes, als Nährboden für Mut. Und Mut ist der Schlüssel zu selbstständigem Arbeiten.
Abgeben ist kein Kontrollverlust. Natürlich bedeutet das: Ich bin nicht immer die erste Anlaufstelle. Ich bin nicht in jedem Detail involviert. Aber das genau ist ja auch der Punkt. Wenn mein Team mich weniger braucht, heißt das, dass ich meinen Job gut gemacht habe. Führung ist am Ende des Tages nämlich keine Bühne. Wenn überhaupt, dann ist Führung der Vorhang, der sich hebt, damit andere dann glänzen können.
Zur Person
Nils Greinert (35) ist Head of Marketing und Communications der IT- und SAP-Beratung Gambit Consulting. Auf Linkedin spricht er regelmäßig über moderne Führung, Recruiting und Themen, die die Marketingwelt umtreiben.