Führung ist einer der wirksamsten Hebel für die Leistungsfähigkeit von Teams. Als Chef:in zuzuhören und die richtigen Fragen zu stellen, wurde dabei lange unterschätzt, sagt Leadership-Expertin Christine Steinleitner. In ihrem Gastbeitrag erklärt sie, warum und welche konkreten Fragen Führungskräfte häufiger stellen sollten.
Christine Steinleitner
30. Juni 2025
Sechs Fragen, die Führungskräfte öfter stellen sollten

Selbst die klügsten Führungskräfte stoßen oft an Grenzen, wenn sie zu lange auf alte Werkzeuge setzen. Sie geben Orientierung, ja, aber sie hören zu wenig zu. Doch: Gute Fragen schaffen Klarheit. Sie öffnen Räume, in denen nicht nur Probleme sichtbar werden, sondern auch Lösungen entstehen können, die tragen.
Sie zeigen Deinem Gegenüber, dass Du nicht nur Ergebnisse willst, sondern verstehst, wie sie entstehen: durch Beziehung und Vertrauen. Und genau das ist Deine Aufgabe als moderne Führungskraft. Nicht Entscheidungen vorzudenken, sondern den richtigen Denkraum zu öffnen. Ich mag den Gedanken sehr, dass Du als Leader nicht vorangehst, weil Du alles weißt, sondern weil Du die besseren Fragen stellst. „The best leaders are not coming up with answers, they are coming up with great questions“, fasst es IDEO-CEO Tim Brown schön zusammen.
Diese sechs Fragen sind aus meiner Sicht besonders hilfreich, weil sie helfen, in den entscheidenden Momenten anders zu führen:
1. Woran würdest Du selbst merken, dass Du gut arbeitest, auch wenn es niemand von außen bewertet?
Diese Frage geht tiefer als „Wie läuft’s bei dir?“. Sie zielt auf Eigenverantwortung, intrinsische Motivation und Klarheit im Selbstbild. Eine Mitarbeiterin aus der Produktentwicklung antwortete mal: „Wenn ich am Ende der Woche sehe, dass mein Prototyp einfacher geworden ist, nicht komplizierter.“ Das war der Schlüssel für ein Gespräch über Wirkung statt Busyness.
2. Was würdest Du sofort anders machen, wenn Du an meiner Stelle wärst?
Mut zur Spiegelung: Diese Frage bringt oft Dinge zutage, die sonst nur im Flurfunk kursieren. Ein junger Teamleiter sagte daraufhin: „Ich würde weniger über Veränderungen reden und mehr davon zeigen.“ Das rüttelt wach und eine Kurskorrektur wird ermöglicht, bevor das Vertrauen ins Rutschen gerät.
3. Was brauchst Du von mir, um Dir bei Deinen Zielen sicherer zu sein?
Leistung entsteht nicht im luftleeren Raum. Wer wirklich führen will, muss wissen, wie Unterstützung wirkt, nicht wie sie aussieht. Diese Frage lenkt den Blick weg vom diffusen „Ich helfe Dir schon irgendwie“ hin zu konkreter, wirksamer Führung. Besonders wirksam ist sie bei Mitarbeitenden, die selbst sehr leistungsstark sind, aber Unsicherheit nicht zeigen wollen.
4. Was blockiert Dich gerade, auch wenn Du glaubst, Du müsstest das selbst lösen?“
Hinter schwacher Performance steckt selten mangelnde Motivation, sondern häufig Unsichtbares: Überforderung, Loyalitätskonflikte, Unklarheit. Ich erinnere mich an einen Top-Vertriebler, der plötzlich stagnierte. Auf diese Frage von seinem Vorgesetzten brach es aus ihm heraus: „Ich weiß nicht, ob ich nächstes Quartal überhaupt noch hier bin.“
5. „Was darf ich nicht übersehen, wenn ich will, dass Du langfristig hier bleibst?
Diese Frage zeigt: Ich nehme Dich nicht nur als Arbeitskraft wahr, sondern als Mensch mit Ambitionen, Zweifeln und Bedürfnissen. Und ich verbinde das mit dem klaren Ziel, Leistung zu halten. Eine Mitarbeiterin in einer Firma antwortete ihrer Chefin kürzlich: „Ich muss nicht befördert werden. Aber ich will Entwicklung sehen, sonst kündige ich“.
Diese Fragen zu stellen, hilft Dir nicht nur, andere klüger zu führen. Sie fordern auch Dich selbst heraus. Deshalb will ich Dir zum Schluss eine sechste Frage stellen, die ich jeder Führungskraft mitgebe:
6. Was wäre in Deiner Führung sofort spürbar anders, wenn Du Deine eigene Arbeit an Dir selbst genauso ernst nehmen würdest wie Deine Verantwortung fürs Team?
Zur Person
Christine Steinleitner ist Expertin und Beraterin für Executive Leadership und Relationships, Autorin sowie Dozentin für Relational Intelligence in Führung. Sie unterstützt Menschen in herausfordernden Beziehungen, sowohl privat als auch beruflich. Im September erscheint ihr Buch „Das Geheimnis moderner Führung – Future Skill Beziehungskompetenz“. Darin erklärt sie, wie sich Beziehungsintelligenz gezielt entwickeln lässt, wie man besser zuhört – und hoffentlich mehr Fragen stellt, die den Unterschied machen.