Sabrine B. Schewtschenko

13. Januar 2021

5 Min. Lesedauer

Die Transformationsreise zu uns selbst

Im üblichen Kontext würden wir ein Statement wie „die beste Version von sich selbst werden“ im Titel eines Coachingseminars, eines Artikels für eine Psychologie-Zeitschrift oder eines Podcasts zur Selbstverwirklichung lesen. Doch dieser hier augenscheinlich fehlverwendete Begriff hat es in Realität wirklich in sich, bezogen auf die Themen Diversity und Inklusion. Er ist – zumindest meines Erachtens – die Lösung der Problematik von Diskriminierung am Arbeitsplatz sowie der Blockierung der Karrieren von Frauen, Randgruppen oder weiteren Minderheiten.

Wie komme ich zu dieser kühnen Behauptung?

Sehen wir uns den Begriff und vor allem das angestrebte Endergebnis des Prozesses „die beste Version von sich selbst werden“ einmal genauer an: Am Ende dieser Reise, dieser Transformationsreise, werden wir zu unserem besten Ich. Wir werden all die Tugenden des menschlichen Daseins in uns tragen und diese Qualitäten auch tatsächlich täglich und aktiv leben – oder zumindest unser Bestes geben, nahe an ihnen zu leben. Damit werden wir in Gänze glücklicher, erfüllter und erfolgreicher – in unserer ganz eigenen Definition. 

Die Transformationsreise zu uns selbst
Die Transformationsreise zu uns selbst

Wenn wir diesen positiven Bewusstseinszustand erreicht haben, werden wir unseren Mitmenschen gegenüber wohlwollender sein: Wir werden intrinsisch motiviert und fast automatisch mehr Verantwortung übernehmen, um anderen Menschen zu helfen, ebenfalls in diesen positiven Bewusstseinszustand, in dem wir uns befinden, hineinzuwachsen. Denn wir haben durch unser erhöhtes Verständnis über das Leben und die „Mastery“ dieser Tugenden erfahren, wie viel schöner, angenehmer und glücklicher es auf der „anderen Seite des Wachstums“ ist. Wir wollen andere daran teilhaben lassen und wollen, dass sie ebenfalls zu dieser „höheren Frequenz“ aufsteigen. Denn wir wollen uns am liebsten – da wir selbst glücklich und erfüllt sind – mit anderen glücklichen und erfüllten Menschen umgeben. Wir sind gewillt zu helfen und – indirekt – bedingungslos zu geben, da dadurch eine Win-win-Situation entsteht: ein schöneres, angenehmeres und glücklicheres Leben mit unseren Mitmenschen.

 

Sehen wir uns das anhand von zwei Beispielen an: Man nehme zwei Manager der alten Schule, Peter, den traditionellen hierarchischen Managertyp, und Julia, die Managerin, die versucht, der „bessere (Manager) Mann“ zu sein. Beide haben sich ihre Position – neben Kompetenz – durch Kämpfe, geschicktes Kalkül und intelligentes Netzwerken verschafft. Peter hält diese Position als Manager bewusst so, weil ihm die Macht und die Dominanz Anderen gegenüber gefallen, da er sich darin stark und wichtig fühlt. Julia ist in diese Position „besserer (Manager) Mann“ eher hineingerutscht, als sie im Kampf durch das Patriarchat ihre weiblichen Züge ablegte, da sie diese als eher hinderlich bzw. als Schwäche gesehen hatte anstatt als Superpower.

 

Wenn sich nun diese beiden Individuen auf die Transformationsreise in Richtung „die beste Version von sich selbst werden“ begeben, werden sie feststellen, dass sie in den Machtkämpfen, die auf dem Weg an die Spitze des Patriarchats üblich sind, Stück für Stück ein bisschen von sich selbst verloren haben. Sie stellen fest, dass sie insbesondere ihre weichen, herzlichen, verspielten, liebenswerten Seiten - Julia zudem auch ihre natürliche weiblich, empathische Seite - irgendwie verschüttet haben. Und dass sie damit leider auch ein unglaublich wichtiges Stück von sich selbst vergessen haben: die wohlwollende Menschlichkeit.

 

Wenn Peter und Julia dies realisieren, werden sie im ersten Schritt beginnen, Tugenden und Qualitäten wie Mitgefühl, Verständnis, Empathie, Harmonie, Frieden, Kreativität, Liebe und bei Julia auch Weiblichkeit im Alltag wieder zu etablieren. Sie beginnen, Menschen nicht mehr mit „Machtmaßnahmen“ zu begegnen, sondern zum Beispiel mit Wohlwollen und Mitgefühl, das sie plötzlich auch so aufrichtig zurückbekommen. Menschen in ihrer Umgebung fangen an, sie zu mögen – als die Menschen, die sie sind und nicht mehr nur für die Rolle, die sie innehaben, zu respektieren oder gar zu fürchten. Nein, ihre Kolleg:innen und Mitmenschen begegnen ihnen mit einem wohlwollenden Lächeln, mit netten Worten und aufrichtigen Komplimenten – und dies ehrlich aus ihrer eigenen besten Version heraus. Julia und Peter fühlen sich als Menschen gesehen und bekommen dadurch eines der drei menschlichen Grundbedürfnisse befriedigt. Dadurch werden Peter und Julia beginnen, sich wieder als Menschen – und nicht als „Manager“ – zu fühlen. Sie werden auch – in sich – eine menschliche Wärme entdecken, die sie teilweise schon vergessen hatten. Diese werden sie aus sich heraus ausstrahlen – und das ist der zweite Schritt in der Transformationsreise.

 

Peter und Julia sind dann an dem Punkt, an dem sie Menschen nicht nach Geschlecht, Hautfarbe, ethnischem Hintergrund oder irgendeiner anderen Kategorisierung unterscheiden. Sie wollen ihr Bestes als Mensch geben, ihre Tugenden teilen und anderen Menschen helfen, „ihre beste Version“ zu werden. Und Julia hört auch auf, weiter „der bessere Mann“ sein zu wollen, und erkennt die Superpower „Weiblichkeit“. Dabei verhelfen beide fast nebenbei ihren Unternehmen/Abteilungen, ihrem Team und jedem Individuum zu mehr Erfolg. Deshalb finden Diskussionen über Diversity und Inklusion keinen wirklichen Platz mehr in einer Welt „der besten Versionen von uns selbst“. Es ist einfach Normalität.   Aber wie kommen wir nun dorthin?

 

Im Kern, wenn wir die Ursache angehen wollen und nicht mehr mit Maßnahmen nur Symptome heilen wollen, muss jeder von uns gewillt sein, „die beste Version von sich selbst“ zu werden. Folgende Vorgehensweise kann einem dabei helfen:

 

1. Selbstverpflichtung, den Weg in Richtung „beste Version“ einzuschlagen.

 

2. Umsetzung und regelmäßige Reflexion, ob man weiterhin an dem eingeschlagenen Weg ist, mit der Frage im Hinterkopf: „Trägt das, was ich gerade tue, zu meiner besten Version, die all die wundervollen Tugenden in sich tragen wird, bei?“ Falls nein, adjustieren und weitermachen.

 

3. Akzeptieren, dass Wachstum eine Kurve ist, aber eine exponentielle Kurve: Es wird erst etwas dauern, aber dann eher schnell besser. Deshalb,

 

4. einfach weitermachen.

 

Ich lade Sie ein, machen Sie mit! Werden Sie die beste Version von sich selbst und zeigen Sie, dass es längst an der Zeit ist, den wohlwollenden Facetten der Menschlichkeit wieder den Stellenwert beizumessen, der ihnen gebührt.

Link kopiert!