top of page

Wie erfolgreiche Business-Couples entstehen

STRIVE+ Der Lackmustest für die beiden als Team war die Krise. „Die Corona-Pandemie war die bisher größte Herausforderung in unser beider Karrieren“, sagt Tobias Ragge. „Ich musste harte Entscheidungen treffen, um das Unternehmen zu retten. Zu wissen, dass Alexandra an meiner Seite ist, hat es leichter gemacht.“

Fotos: Henning Ross


Lorem ipsum dolor sit amet, consetetur sadipscing elitr
HRS-CEO Tobias Ragge mit seiner CMO Alexandra Barth

Ragge, 45, ist CEO der HRS-Group aus Köln. Das Unternehmen ist mit verschiedenen Plattformen auf ganzheitliche Lösungen für Geschäfts- und Privatreisen spezialisiert. Zu den größten Kunden gehören Volkswagen, Siemens, Amazon und Alibaba. Die Geschäftsführung übernahm er 2008 von seinem Vater, dem Firmengründer Robert Ragge.


Alexandra – das ist Alexandra Barth, 43 Jahre alt und seit 2011 im Unternehmen. Sie kam als Marketing Director. Inzwischen hat sie mehrere Posten inne: Sie ist als CEO der Business Unit verantwortlich für HRS.de und Hotel.de und als Chief People Officer seit 2017 außerdem Mitglied des Management Board der HRS Group.


Die Corona-Krise hat die gesamte Reisebranche hart getroffen. Auch HRS blieb nicht unberührt davon, da monatelang so gut wie keine Businesstrips stattfanden. Ragge reagierte darauf schnell, baute ein komplett neues Geschäftsfeld auf, das sich auf Krisenmanagement fokussiert und weltweite Kunden von den USA über Europa bis in Australien ausmacht. Barth trieb ein Projekt zur neuen Form des Arbeitens im „Hotel Office“ an: Über seine Plattformen vermittelt HRS inzwischen auch freie Hotelzimmer an Unternehmen, die für ihre Mitarbeiter:innen Alternativen zum Home Office suchen. Das Modell soll auch nach der Krise weiterlaufen. Dass das Unternehmen bisher verhältnismäßig gut durch die Pandemie gekommen ist, erzählt Ragge, liege auch daran: „Die Krise hat noch einmal gezeigt, wie gut Alexandra und ich als Team funktionieren – und dass alle Kollegen:innen an einem Strang gezogen haben.“


Der Sockel, auf dem die Beziehung der beiden steht, ist solide. Ragge und Barth kennen sich seit über 20 Jahren, haben sich beim gemeinsamen Studium an der European Business School in Oestrich-Winkel kennengelernt. Ragge bezeichnet Barth als seine „beste Freundin.“ Was zunächst sogar gegen ihre Einstellung sprach, als er 2010 einen Director für das Marketing suchte. „Natürlich habe ich mir die Frage gestellt: Will ich unsere Freundschaft für den Job aufs Spiel setzen? Ist es mir das wert? Mir war bewusst, dass die Gefahr, sie als Freundin zu verlieren, hoch war.“ Am Ende aber überwog, dass er dringend jemanden brauchte, der nicht nur mit Talent und Expertise überzeugt. Sondern von dem er wusste, dass er ähnlich tickt und seine unternehmerischen Werte teilt.


Ragge und Barth haben seitdem einiges richtiggemacht, geschäftlich und zwischenmenschlich. HRS steht inzwischen auf einer internationalen Bühne, die Zahl der Mitarbeiter:innen hat sich mehr als verachtfacht und man ist globaler Marktführer im Firmenkundebereich. Und: Tobias Rage und Alexandra Barth sind noch immer beste Freunde. Zwar betonen sie, dass sie keine Blaupause dafür seine können, wie gutes Zusammenarbeiten funktioniert. Dafür sei die Konstellation aus beruflichem Gleichtakt und enger Freundschaft zu speziell. Vergleicht man ihre Erzählungen aber mit dem, was die Management-Psychologie über effiziente Konstellationen weiß, stellt man fest: Bei Ragge und Barth lässt sich in erstaunlich vielen Boxen ein Häkchen setzen.


Bis zu 70% aller geschäftlichen Partnerschaften scheitern.

Die Formel für den Erfolg

Der gemeinsame Nenner, der die Wahrscheinlichkeit auf Erfolg steigen lässt, besteht aus mindestens drei Komponenten: Fachlich und menschlich sollte man komplementär sein. Die Werte müssen übereinstimmen. Dass das schwieriger ist, als es klingt, zeigt die Statistik: Bis zu 70% aller geschäftlichen Partnerschaften scheitern. Sogar Ehen halten öfter, und das will etwas heißen. Tatsächlich sind berufliche und private Beziehungen einander aber gar nicht so unähnlich. Es gibt Kombinationen, die automatisch schwingen. Und solche, die von Vorneherein zum Scheitern verurteilt sind. Am häufigsten sind die, die Potential haben, an denen man aber stetig arbeiten muss.

Dr. Claudia Drews und Jens Corssen wissen, was den Unterschied macht. In einer Kooperation haben sich die beiden Top-Coaches auf das Thema Führungs-Duos fokussiert; die beiden beraten das oberste Personal der deutschen Wirtschaft. Vor allem Drews greift dabei immer auch auf persönliche Erfahrungen zurück: Ihre eigene Management-Beratung führt sie seit Jahren in einer engen Doppelspitze. Aus dem Gespräch mit ihnen lassen sich neun Punkte ableiten, die Erfolg wahrscheinlicher machen. 1. Der fachliche Fit

„Wenn sich Expertisen gut ergänzen, hat man einen breiteren Wirkungsgrad in der Leistung“, erklärt Claudia Drews. Das kann eine pragmatische Aufteilung sein in CMO und CFO. Oder aber eine grundsätzlichere wie die in Visionär und Handwerker, wie es zum Beispiel bei den Gründern von Apple der Fall war: Steve Jobs wusste, was die Menschen morgen haben wollen. Der Ingenieur Steve Wozniak konnte die entsprechenden Computer dazu bauen. Häufig ist auch das Modell „Visionary Founder, Second in Command.“ Facebook etwa konnte nur deshalb so nachhaltig erfolgreich werden, weil die COO Sheryl Sandberg wusste, wie sich aus der Idee von Mark Zuckerberg dauerhaft Geld machen lässt.


Auch Tobias Ragge beschreibt, dass die Zusammenarbeit mit Alexandra Barth davon profitiert, dass jeder seinen eigenen Tanzbereich habe. „Unsere Rollen sind unterschiedlich, wir bearbeiten eigene Felder. Auf ihrem hat Alexandra klar mehr Expertise. Das ist wichtig, weil dann Macht-Fragen in den Hintergrund rücken können.“

Marius Clemens, Ökonom am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung
Tobias Ragge und Alexandra Barth kennen sich seit über 20 Jahren

2. Der menschliche Fit „Wir ticken schon sehr gleich“, sagt Alexandra Barth über sich und ihren Chef. „Wir sind beide Möglich-Macher, immer im Get-Going-Modus. Wir sind schnell im Kopf, sprechen schnell, mögen schnelle Entscheidungen.“ Dass die beiden im gleichen Takt funktionieren, mache vor allem in kritischen Situationen den Unterschied.


Gut zueinander zu passen heißt aber nicht, sich in allem möglichst ähnlich zu sein. Es geht darum, sich zu ergänzen, die Stärken des anderen zu stärken und die Schwächen auszugleichen. Tobias Ragge sagt: „Ich habe die Fähigkeit, schnell wichtige Entscheidungen zu treffen und einen Kurs festzulegen – und dabei alles andere auszublenden. Ich belaste mich dabei nicht mehr mit Fragen wie: Wem müsste ich das eigentlich erklären? Was macht das mit Leuten, die ich mag?“ Er wisse aber, dass das in Sachen Mitarbeiterführung nicht immer die nachhaltigste Methode ist. An diesem Punkt kommt Alexandra ins Spiel. „Ich bin sein Multiplikator ins Unternehmen und zieht die Schleifen, die ihm nicht entsprechen und die er sich in seiner Rolle nicht erlauben kann.“ Sie schildert: „Für Tobias zählt nur die gute Entscheidung, für mich die gute Entscheidung im Team. Er springt in den Bus, ruft ‚los geht’s!’ und legt den fünften Gang ein. Ich steige hinterher, heiße die Mitarbeiter:innen Willkommen, erkläre die Route und gucke nach, ob alle angeschnallt sind.


Dorothee Martin, Finanzexpertin der SPD-Fraktion
Tobias Ragge

3. Der Werte-Fit Zu wissen, wofür ein Unternehmen steht, ist wichtig. Das betrifft vor allem Fragen der Teamführung und der Mitarbeiterkultur, den Umgang mit Kunden, übergeordnete Ziele und Visionen. Aber auch in der Zusammenarbeit muss man begreifen, was dem oder der anderen wichtig ist: Wo muss man den Schulterschluss suchen? Wo liegen Grenzen? Welche Grundsätze dürfen nicht angekratzt werden? Die Management-Beraterin Drews verrät: „Mit meinem Geschäftspartner habe ich die Abmachung, dass jeder auch alleine entscheiden kann. Auch, wenn es um die Wurst geht. Wir vertrauen uns, weil wir wissen, dass wir denselben Werten dienen.“

Tobias Ragge spricht heute offen darüber, wie schwer es ihm als junger Chef gefallen ist, neuen Leuten Verantwortung für gesamte Unternehmensbereiche zu überlassen. „Ich hatte bisweilen Angst vor Kontrollverlust.“ Das hohe Maß an Identifikation, das Familienunternehmen mit sich bringen, machte das nicht leichter. „Irgendwann aber muss man Macht abgeben – damit die Firma wachsen kann. Dann muss man Leute finden, die kulturell ähnlich geprägt sind, denn Sie vertrauen ihnen Ihr Haus an. Bei Alexandra wusste ich von Anfang an: Wir können uns in der Sache noch so uneins sein, die grundsätzlichen Vorstellungen teilen wir.“ Stellt man Mitarbeiter:innen ein, die man vorher nicht kennt, müsse man das in Vorstellungsgesprächen genau abklopfen. „Das geht aber nur bis zu einem gewissen Punkt, letztendlich bleibt es ein Bauchgefühl.“ Ragges Erfahrung nach dauere es etwa zwei Jahre, bis man weiß, ob eine Konstellation wirklich passt.


"Irgendwann aber muss man Macht abgeben - damit die Firma wachsen kann." - Tobias Ragge

4. Wertschätzung

Tobias Ragge weiß das und handelt schon lange dementsprechend. „Ich überlasse Alexandra nicht einfach nur ein Thema, sondern auch das Tableau. Folien abliefern und ich stelle mich dann auf die Bühne, das gibt es bei mir nicht. Aufmerksamkeit und positives Feedback treibt uns alle an, Motivation kommt aus Resonanz und Anerkennung.“ Alexandra, aber auch alle anderen Führungskräfte stellen deshalb intern und extern ihre Themenfelder vor – und geben ihnen ihr Gesicht. Alexandra wiederum weiß, dass Wertschätzung keine Einbahnstraße ist. Mit dem Vertrauen, das Ragge ihr vorschießt, geht Barth sorgsam um. „Tobias hat mir die Schlüssel zu einem Teil seines Hauses gegeben. Er ist das Haus, da kann man nur die Perspektive des Inhabers einnehmen. Ich stelle das nicht in Frage, sondern habe mich an meine Grenzen herangetastet. Das ist eine Frage von Empathie und Respekt.“


Katja Hessel, FDP, Vorsitzende des Finanzausschusses im Bundestag
Alexandra Barth
"Bei uns geht es immer darum, was gut ist für das große Ganze." - Alexandra Barth

5. Den anderen erkennen Talente und Schwächen, private Rahmenbedingungen, Ziele und emotionale Treiber: „Es ist wichtig, sich gegenseitig zu sehen, und zwar in allen Bereichen“, sagt Claudia Drews. Dann steige die Effizienz der Arbeit überproportional, weil man Aufgaben maßgeschneidert zuteilen könne und weniger Fehler mache.


Alexandra Barth erzählt, dass Ragge – im Gegensatz zu früheren männlichen Vorgesetzen – nie versucht habe, sie zu verändern. „Er hat nie gesagt: Sei mal leiser, nimm dich mal zurück. Er schätzt, dass ich extrovertiert bin und Raum einnehmen kann.“ Ragge hingegen weiß, dass er nie aufhören darf, Barth herauszufordern. Bisher hat er ihr alle anderthalb Jahre eine neue Aufgabe oder einen neuen Posten gegeben, sie zuletzt für das Thema Personal verantwortlich gemacht. „Ich weiß, dass ich sie immer wieder reizen muss mit inhaltlich Neuem, an dem sie wachsen kann.“


6. Klare Absprachen Wenn Alexandra eine dieser neuen Aufgaben übernimmt, setzt sie sich mit ihrem CEO zusammen und legt die Parameter fest: Welche Ziele hat das Projekt? Welche Erwartungen der Chef? Will er am Ende abgeholt werden oder bestimmte Teilstrecken mitlaufen?

Auch für das Zwischenmenschliche sollten Absprachen getroffen werden. Wie bei einer Ehe sei es gerade am Anfang wichtig, schon das Ende mit zu planen, sagt Claudia Drews. „Mein Geschäftspartner und ich haben schriftlich festgehalten, wie wir im Fall einer Trennung mit möglichen Konflikten umgehen wollen. Zu wissen, dass wir diese Vereinbarung haben, lässt uns entspannt miteinander arbeiten.“ Ragge und Barth haben sich vor Vertragsabschluss versprochen, sofort die Reißleine zu ziehen, sollte ihre Freundschaft in Gefahr sein


7. Füreinander da sein Loyalität entsteht nicht nur zwischen 9 und 17 Uhr. Jens Corssen beschreibt, dass private Anknüpfungspunkte durchaus zu einer „größeren Beseeltheit und Verbundenheit“ mit der Arbeit führen können. Ragge und Barth lachen heute, wenn sie daran denken, was sie schon alles zusammen erlebt haben. Davon, dass sie sich so gut kennen, profitieren sie im Arbeitsalltag oft, weil sie Stimmungen schnell erkennen und reagieren können. Gerade jetzt, wo sie sich fast nur noch durch Bildschirme sehen. „Wir erkennen am Verhalten oder den Reaktionen des anderen auch via Zoom, wann es mal wieder Zeit wird, auf den anderen zuzugehen und sich detaillierter auszutauschen“, erzählt Barth.


Wie echte Verbundenheit aussieht, konnte man auch bei Barack Obama und seinem Vize Joe Biden beobachten. Die beiden waren nicht nur für ihre effektive Zusammenarbeit im Oval Office bekannt, sondern auch für ihre „Bromance“ („New York Times“). Legendär die Geschichte, die Joe Biden in einem CNN-Interview schilderte: Als sein Sohn schwer erkrankte und er sich Sorgen um das finanzielle Auskommen der Familie machte, erzählte er seinem Chef davon – und erwähnte, dass er sein Haus verkaufen wolle. „Mach es nicht, Joe“, habe Obama geantwortet, „ich gebe dir das Geld.“ Bidens Sohn verstarb 2015. Das Foto von der Beerdigung, auf dem US-Präsident Obama seinen Vize fest im Arm hält, ging um die Welt.


8. Geschlossenheit Claudia Drews betont, wie wichtig eine gemeinsame Führungslinie nach außen hin ist, nicht zuletzt, um Mitarbeiter:innen und Kund:innen nicht zu verunsichern. „Mein Partner und ich stehen hinter jeder Entscheidung des anderen, auch, wenn er sie allein getroffen hat. Wenn es Probleme gibt, löffeln wir sie gemeinsam aus.“ Jens Corssen greift auf eine Berater-Anekdoten aus dem Fußball zurück: „Beim FC Bayern schreibt die Presse, dass der Sportdirektor und der Trainer zerstritten sind. Die beiden als Führungsduo formulieren ihre Auseinandersetzung als konstruktives Streiten für ein gemeinsames Ziel.“


Ob die Loyalität so weit gehen muss wie bei Mark Zuckerberg und Sheryl Sandberg, darf in Frage gestellt werden. 2018 geriet Facebook in eine Krise, als die „New York Times“ dem Unternehmen vorwarf, es habe Hinweise auf Einflussnahme beiden US-Wahlen 2016 absichtlich zurückgehalten. Im Zentrum der Vorwürfe stand Sheryl Sandberg, die frühzeitig von den Vorgängen gewusst und dann gegen die mediale Berichterstattung lobbyiert haben soll. Rücktrittsforderungen wurden laut. Intern soll Zuckerberg seine CEO verantwortlich gemacht haben. In einem Interview mit dem TV-Sender CNN verteidigte er sie vehement und betonte, wie wichtig sie für ihn sei.


9. Ego „Bei uns geht es immer darum, was gut ist für das große Ganze. Erst danach kommt, was wichtig für die eigene Person ist“, sagt Alexandra Barth. „Ich glaube, dass das letztendlich unser Erfolgsgeheimnis ist.“ Entscheidend sei nie, wer letztendlich das letzte Wort behält oder wer sich nach wem richte, schon gar nicht, was die Hierarchie vorschreiben würde. „An diese Stelle geht es mir nie darum, wer die Macht hat“, betont auch Ragge. Mein Ego ist groß, aber mein Wille, das Beste für mein Unternehmen zu tun, ist stärker.“

Jens Corssen fasst es so zusammen: „Wer eine Idee hat, die größer als sein Ego ist, kann besser teilen.“

bottom of page