Oder an die Einführung des „offiziellen Getränks für eine bessere Welt“? Bionade hat für immer verändert, dass wir die Welt in gute und schlechte Limonaden unterteilen. Und hat damit 2007 sowas wie den Grundstein für Bio-Lebensmittel im Mainstream gelegt. Genau wie vielleicht die erste IKEA Werbung, in der man vor acht Jahren Menschen ihre Pakete mit Lastenfahrrädern statt Autos nach Hause transportieren sah – was damals noch ungewohnt für alle war, wurde auch durch die Kommunikation für alle normal.
Oder anders gesagt: Was wir sehen prägt uns! Und kann damit uns und unsere Gesellschaft verändern. Werbung und Kommunikation sind damit ein riesiger Hebel, um Neues auf den Weg zu bringen. Gerade, wenn wir als breite Gesellschaft noch gar nicht so weit sind, Zukunftstrends anzunehmen: Wenn es jetzt also zum Beispiel darum geht, transformierende Treiber wie pflanzenbasiertes Essen, sozial gerechten Konsum, klimaneutrale Verhaltensweisen oder eine diversere Gesellschaft voranzutreiben.
Neues Unternehmertum bedeutet auch, in der Kommunikation Verantwortung zu übernehmen
Neues Unternehmertum bedeutet aus meiner Sicht daher auch, in der Kommunikation Verantwortung zu übernehmen. Und gerade weil unsere Gesellschaft noch nicht kollektiv im Neuen angekommen ist, neue Weltbilder zu malen und damit klare Stellung zu beziehen – selbst wenn die Masse (noch) irritiert oder angegriffen darauf reagieren mag.
Bleiben wir also mal beim Thema Diversität, weil es ein bisschen neuer ist, als Bio-Denke zukunftsgewandt zu inszenieren (die ja – bestimmt auch dank Bionade – heute zum Glück Mainstream geworden ist): Immer häufiger sehen wir Kommunikation, die inklusive Kulturen abbildet. Oft noch im Kontext von Mann und Frau, will heißen inzwischen wird auch die Frau einmal als Hauptverdienerin der Familie inszeniert – und das, obwohl es im echten Leben eben nur in ca. 14 Prozent der deutschen Haushalte Realität ist. Aber auch durch die Integration unterschiedlichster Religionen, Sexualitäten oder People of Colour in Markengeschichten, die erzählt werden. Zu oft haben all diese Inszenierungen aus meiner Sicht jedoch noch den kleinen Makel, dass das Diverse durch Kamerafahrten oder als Höhepunkt der Story extra betont wird – und so Besonderheit bleibt.
Vielfalt sollte nicht als Besonderheit, sondern als Alltagsnormalität erzählt werden
Damit unsere Gesellschaft wirklich diverser wird, wünsche ich mir, dass wir jetzt einen Schritt weitergehen: Dass Marken mit Souveränität und maximaler Selbstverständlichkeit Diversität – also nicht die Vielfalt als Besonderheit, sondern als Alltagsnormalität erzählen. Denn das ist ja unser Zukunftsbild: Dass wir als vielfältige Persönlichkeiten gleichwertig miteinander sind, dies als starke Ressource und nicht als Problem begreifen – und so mehr Kreativität und soziale Gerechtigkeit in unsere Gesellschaft bringen. Und mit dieser Prise mehr Normalität in der Kommunikation prägen wir auch unser Bild von Diversität, damit sie ganz alltagsnormal in der Mitte der Gesellschaft ankommen kann. Ob das jetzt schon alle gutheißen? Glaube ich nicht. Aber wenn das unser Ziel ist, sollten wir Unternehmer:innen die Verantwortung übernehmen, solche Bilder zu zeichnen, um damit die Gesellschaft zu prägen, die wir mit gestalten wollen.
Eine wunderbare Markengeschichte mit diesem Hauch mehr Selbstverständlichkeit hat uns übrigens Starbucks erzählt: Kennen Sie die #whatsyourname Kampagne vom letzten Jahr? Ein 60-sekündiger TV-Spot zeigt die Herausforderungen von „James“, der sich als Transgender im Wandel befindet und sich nicht mit seinem Geburtsnamen „Jemma“ identifiziert. Während des gesamten Stücks wird James im Alltag von anderen „Jemma“ genannt, bis die Geschichte darin gipfelt, dass er seinen selbst gewählten Namen zum ersten Mal in einem Starbucks-Geschäft ausprobiert. Er antwortet als „James“, als der Barista nach seinem Namen fragt, der dann auf eine Starbucks-Tasse geschrieben wird, und ruft, wenn James‘ Kaffee fertig ist.
Zusätzlich zum Bewegtbild wurde Transsexuellen eine Plattform gegeben, damit sie die Geschichten hinter ihren gewählten Namen in einer Reihe von „Moving Portraits“ erzählen konnten, die in einer voll integrierten Kommunikation vielfältig gespielt wurden. Eine wunderbare Art, Diversität in etwas ganz Alltägliches einzubetten, das wir alle von Starbucks kennen.
Und wissen Sie was der schönste Nebenaspekt von dieser Kommunikation ist? Dass sie in diesem Fall gerade die LGBTQ+ Community garantiert bestärkt, sich selbstbewusster und selbstverständlicher zu zeigen. Und genau das trägt dazu bei, dass wir uns alle in die diverse, selbstverständliche Gesellschaft entwickeln, die wir zuerst in der Kommunikation eines Unternehmens gesehen haben, das uns Diversität im Alltag gezeigt hat, als sie lange noch nicht dort angekommen war.
Über die Autorin
Stefanie Kuhnhen verantwortet als geschäftsführende Partnerin das strategische Produkt von Grabarz & Partner, einer der führenden inhabergeführten, kreativen Markenagenturen Deutschlands und der Welt. Nicht nur ihre Arbeiten für Unternehmen wie IKEA, Volkswagen, EDEKA oder Burger King wurden mehrfach mit nationalen und internationalen Strategiepreisen ausgezeichnet, sondern auch sie selbst. Stefanie Kuhnhen ist zweifache Mutter und hat im Frühjahr 2018 das Trendbuch „Das Ende der unvereinbaren Gegensätze" publiziert. Seit 2019 ist sie Co-Founderin des Startups „Kokoro“. Eine App, die die zentralen Faktoren gesunder Unternehmenskulturen misst und Teams aktiv dabei unterstützt, ihren emotionalen Zustand zielgerichtet zu verbessern.