Kolumne Neues Unternehmertum | Es ist Anfang Januar und damit die Zeit der Vorsätze und ambitionierten Ziele. Gut so! Oder? Unsere Kolumnistin Stefanie Kuhnhen ist sich da nicht so sicher. Denn: ein gutes Ziel ist noch lange keine Tat. Aber vielleicht bringt uns ja was anderes ins Handeln?
Stefanie Kuhnhen
12. Januar 2022
Mit Vorstellungskraft gelingen die Neujahrsvorsätze
In den sozialen Medien, vor allem auf LinkedIn, konnte man sie jetzt wieder überall lesen: Neujahrsvorsätze! Ziele! So erreichen Sie Ihr 2022! Hier besser werden, da anders sein. Die meisten von uns (statistisch immerhin über 85 Prozent) stecken zwischen den Jahren viel Arbeit darein, neue, detaillierte Ziele für sich zu formulieren – und so geben sie uns dann auch das Gefühl, schon ordentlich was erledigt zu haben, bevor Heilige Drei Könige überhaupt vorbei ist. Doch darüber vergessen wir manchmal das Wichtigste: Gute Ziele und feine Vorsätze sind (leider) noch keine Handlungen.
Nur 20 Prozent halten sich tatsächlich langfristig an ihre neuen Vorsätze.
Damit die guten Vorsätze eben nicht das bleiben, was sie meistens sind – ein guter erster Schritt –, müssen wir uns erst einmal verdeutlichen, wie hart es ist, sie überhaupt einzuhalten: Die meisten haben die selbst formulierten Ziele Ende Januar schon wieder vergessen. 60 Prozent von uns geben nach sechs Monaten auf. Nur 20 Prozent halten sich tatsächlich langfristig an ihre neuen Vorsätze.
Das wirft die Frage auf: Wie bleiben wir 2022 nicht bei der Zielarbeit stehen, sondern kommen ganz konkret ins Handeln?
Was mich im letzten Jahr in Puncto „wirklich ins Handeln kommen“ überzeugt hat, war die Erkenntnis der Verhaltensforschung (Danke, Carol Dweck!), dass eben keine konkreten Ziele, sondern ein neues, positiv formuliertes Mindset zu tatsächlicher Verhaltensänderung führen. Und damit verbunden vor allem die starke Vorstellungskraft (Danke, Bernd Sieslack!), wie sich das Neue anfühlen wird. Beides schlägt den konkreten Willen und jedes konkret formulierte Ziel.
So hatte ich mir mit diesem Wissen 2021 vorgenommen, ein klimafreundlicheres Leben zu führen. Dafür habe ich mir vorgestellt, wie gut sich das für mich anfühlen würde, klimagerechter zu handeln. Mein imaginäres Ziel war es, meinen Kindern mit gutem (oder sagen wir zumindest besserem) Gewissen vorzuleben, wie das geht! Mir ist es damit gelungen, deutlich seltener Auto und mehr Fahrrad zu fahren, öfter vegan zu essen, erstmals gezielt Öko-Fashion zu kaufen, meine Flugreisen selbstverständlich zu kompensieren und wirklich lieber mit der Bahn, als mit dem Auto zu fahren (Wer mich kennt, weiß, was das heißt.)!
Verhaltensforscher:innen begründen das damit, dass das positive Mindset und die starke Vorstellung davon, wie es sicher besser anfühlen wird, der viel flexiblere, proaktivere, adaptivere Weg sind, um neues Handeln in den Alltag zu integrieren. Denn das funktioniert viel breiter und besser, als sich an konkreten, starren Zielen abzuarbeiten, die sehr schnell nicht durchhaltbar sind – wie in meinem Fall vielleicht „nur noch einmal die Woche das Auto nehmen“, „meine Ernährung bis zur Hälfte des Jahres auf vegan umstellen“ oder „dieses Jahr fliege ich nicht“.
Mit dem gleichen Prinzip hatte ein Kollege von mir sich ebenfalls ein neues Mindset mit ins neue Jahr genommen, nämlich ganz simpel formuliert, „ein sportlicheres Leben zu führen“. Auch er hatte sich sein aktiveres Leben ganz konkret ausgemalt – inklusive des guten Lebensgefühls am Ende eines aktiven Jahres. Es führte dazu, dass er das nicht nur mit konkreten Tennis- und Laufeinheiten mal besser, mal schlechter wöchentlich umsetzte, sondern rückblickend auch öfter die Treppen nahm und mit den Kindern am Wochenende viel aktiver unterwegs war.
Das ist alles, was Sie und ich dieses Jahr brauchen.
Für 2022 möchte ich uns allen damit nur ans Herz legen, die harte Zielarbeit einfach mal beiseitezulegen (Sorry, wenn der Tipp zu spät kommt…) und die Kraft, die wir damit gespart haben, voll in unsere Vorstellungskraft zu investieren: Wie möchte ich am Ende des Jahres gelebt haben? Wie wird es sich anfühlen? Und was ist eine konkrete, passende Mindset-Formulierung dafür? Eine, die das Positive, das ich in mein Leben bringen will, in den Fokus rückt? Das ist alles, was Sie und ich dieses Jahr brauchen.
Damit: Auf ein neues Mindset! Die wunderbare Vorstellungskraft! Und ein tatkräftiges 2022 für uns alle.
Ich freue mich schon jetzt auf unseren Austausch, der hier beginnt. Und jederzeit online weitergehen kann: stefanie@killingopposites.com.
Über die Autorin
Stefanie Kuhnhen ist CSO/Managing Partner bei Serviceplan, die größte inhaber- und partnergeführte Agenturgruppe Europas und die einzig komplett integriert aufgestellte Agentur Deutschlands. Nicht nur ihre Arbeiten für Unternehmen wie IKEA, Volkswagen, EDEKA oder Burger King wurden mehrfach mit nationalen und internationalen Strategiepreisen ausgezeichnet, sondern auch sie selbst. Stefanie Kuhnhen ist zweifache Mutter und hat im Frühjahr 2018 das Meta-Trendbuch „Das Ende der unvereinbaren Gegensätze" publiziert. Seit 2019 ist sie Co-Founderin des Startups „Kokoro“, eine App, die die zentralen Faktoren gesunder Unternehmenskulturen misst und nachhaltig effektive Teams fördert.