Eckhard Köhn

23. April 2021

5 Min. Lesedauer

Freiheit statt Status(-quo)

Karriere umgekehrt: Eckhard Köhn gehörte jahrelang zur Management-Riege deutscher Großkonzerne, dann wechselte er zu Studitemps und machte das Start-up rund um flexible Arbeit für Studierende und Young Professionals zu einem millionenschweren Unternehmen. Das Erfolgsrezept: Chancen statt Risiken sehen.

In einem Großkonzern zu arbeiten bringt Sicherheit, Struktur aber auch viel Routine und wenig direkten Handlungsspielraum. Das war für mich nach über zehn Jahren im Management u.a. von Daimler und DKV keine Option mehr. Ich gab Status, Dienstwagen sowie Fahrer und eine sichere ”Kamin-Karriere” für mehr unternehmerische Freiheit auf, um mit meinem Wissen und Erfahrungen aus diesen gewachsenen Strukturen ein neues, vielleicht auch besseres Unternehmen aufzubauen.

Freiheit statt Status(-quo)
Freiheit statt Status(-quo)

Bereits 2007 erarbeitete ich ein Konzept für ein Unternehmen dessen Kerngeschäft flexible Arbeitseinsätze mit Studierenden für Unternehmen mit Personalbedarf sein sollte. Das Konzept blieb zunächst in einer Schublade liegen, bis zu einem Treffen mit Benjamin Roos und Andreas Wels im Jahr 2010. Die beiden arbeiteten gerade an der Umsetzung einer solchen Überlegung. Am Flughafen Hamburg wollten wir uns auf eine Stunde treffen um über die Idee zu sprechen, daraus wurde ein ganzer Tag und daraus wiederum meine Entscheidung in das junge Startup als Geschäftsführer einzusteigen.

 

Selbst anpacken statt daneben zu stehen 

Als erfahrene Führungskraft in ein junges Unternehmen zu wechseln, ist eine Win-Win-Situation. Während die Gründer von meinen Erfahrungen profitieren konnten, war es für mich die Chance in alle Prozesse voll eingebunden zu sein und mitgestalten zu können, statt nur arbeitsteilig Verantwortung zu übernehmen. Wo man sonst Powerpoint-Folien erstellt und diese dann weitergibt, lässt man sie hier wahr werden. Morgens arbeitete ich an der unternehmerischen Ausrichtung, Mittags ging es um Kundengewinnung und Finanzierungspläne und Abends um Lohnzahlungen und Software-Administration. Diese vielen Aufgaben- und Entscheidungsbereiche zu verantworten, bringt große unternehmerische Spielräume. Damit diese Freiheit zum Erfolg führt, braucht es neben Risikobereitschaft und Mut, vor allem Zielstrebigkeit. Es ist wichtig sein Unternehmensziel im Blick zu haben und dies dann möglichst mit allen anderen, vom Senior bis zum Trainee, zu teilen. Nur wenn alle Mitarbeitenden überhaupt wissen, für welche Idee und Werte sie arbeiten und wie diese erreicht werden sollen, können sie sich auch aktiv einbringen. Die Idee muss in allen Beteiligten wachsen und aus Mitarbeitern werden Überzeugungstäter.

 

Aufbau eines Unternehmens und einer Zielvision

Hier liegt aus meiner Sicht einer der entscheidenden Erfolgsfaktoren eines jeden Unternehmens, egal ob Großkonzern oder Start-up: Nur wer sein Team einbezieht, jedem die Chance auf persönliche Entwicklung mit größtmöglicher Selbstbestimmtheit bietet und bereit ist deren Erfahrungen und Kompetenz als Ressource zu begreifen, wird seine Ziele erreichen. Sich austauschen und voneinander lernen kann Probleme schneller lösen als stundenlang im stillen Kämmerchen darüber zu grübeln. Nur durch Teamwork kann ein Start-up dann auch rasant wachsen und zu dem werden was es per Definition ist. Alle Aufgaben selbst zu übernehmen und umzusetzen funktioniert, wenn ein Unternehmen wachsen soll, auf Dauer nicht. Auch ich musste nach der Anfangsphase in der ich viele neue Ansätze und Wege ausprobiert habe, Aufgaben delegieren. Das Kredo: Einmal selbst vormachen und dann abgeben.

 

Freiheit (neu) zu gestalten und zu reagieren

So ist Studitemps von einem Start-up zu einem Unternehmen mit 94,7 Mio. Euro Jahresumsatz, über 300 Mitarbeitern und 24 Standorten in ganz Deutschland geworden. Und selbst in der Corona-Krise konnten wir uns resilient zeigen und unseren Umsatz um 20 % steigern. Zu verdanken haben wir das nicht nur den flexiblen und motivierten Student*innen und einem unermüdlichen Team, sondern auch unserer Agilität, die wir uns über all die Jahre erhalten haben.

 

In einem kleinen Unternehmen wirken sich Entscheidungen viel unmittelbarer aus, daher kann der Kurs schneller gewechselt werden und Fehler, die zu jeder Neugründung dazugehören, schneller behoben werden. Nicht jeder Plan geht immer so auf, wie man es sich erhofft, dann gilt es das Ziel weiter zu fokussieren und doch einen anderen Weg dahin einzuschlagen. Im Krisenjahr bedeutete das: Täglich 50.000 Einsatzstunden von Studierenden neu zu besetzen und gleichzeitig 20.000 Stunden zu stornieren. Allein im März 2020 wurden 57.000 Stellen unter anderem im Lebensmitteleinzelhandel sowie in der Logistik und Warenversorgung durch Studitemps mit Studierenden besetzt. Gleichzeitig haben wir das Unternehmen digitalisiert. Aus dem Start-up vom Jahr 2011, einem hochspezialisierten Personaldienstleister mit aufwendigen manuellen Prozessen, ist ein HR Tech und Workforce as a Service Anbieter entstanden.

 

Studitemps verschafft monatlich bis zu 10.000 Student*innen und Young Professionals einen Job und hilft damit Unternehmen mit Personalbedarf – von Automotive über den Gesundheits- und Sozialbereich, bis zu IT, E-Commerce, Logistik, Einzelhandel oder Biotech. Die Arbeit der letzten zehn Jahre hat sich gelohnt.

 

Angst hatte ich in all der Zeit nicht, das ist aus meiner Sicht auch kein guter Begleiter für einen Unternehmer. Ich habe den Wechsel aus den sicheren Strukturen des oberen Managements in ein Start-up immer als aufregende Chance wahrgenommen, weniger als Risiko, denn meistens gilt im Leben: Wer nicht wagt, der nicht gewinnt.

 

Über den Autor

Eckhard Köhn begann seine Karriere als Consultant bei GEMINI CONSULTING (heute Capgemini), war anschließend als Vice President bei DAIMLER  tätig. Er ist dann zur Restrukturierung bei der Newtron AG eingestiegen und war anschließend Managing Director bei DKV. Der gestandene Manager fing nach Jahren in Konzernen bei einem Start-up an, in dem es noch aussah wie in einer Studenten-WG, zog gemeinsam mit den Gründern Strukturen ein und brachte es zum Erfolg.

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