STRIVE: Yasmine, Du hast ein Buch über Empathie geschrieben. Wer oder was hat Dich dazu inspiriert?
Yasmine M’Barek: Im politischen Alltag oder in den Kommentarspalten der sozialen Medien begegnet uns immer wieder diese Forderung, emphatischer zu sein. Ich habe mich gefragt, was das genau bedeutet und ob wir wirklich alle so unempathisch sind? Auch im Privaten habe ich die Erschöpfung beim Miteinander wahrgenommen und mich gefragt: Verlangen wir dem Begriff Empathie vielleicht das Falsche ab?
Und zu welchem Schluss kommst Du? Haben wir wirklich verlernt, emphatisch miteinander zu sein?
Wir haben es nicht unbedingt verlernt, sondern unsere Kapazitäten sind begrenzter. Care Arbeit, Job, Inflation, multiple Krisen, Kriege: Viele befinden sich in der Überbelastung, da kann es schwer werden, feinfühlig zu sein und in manchen Momenten einen Schritt zurückzugehen und sich zu fragen: Warum macht die andere Person das? Gibt es vielleicht Gründe, die ich nicht kenne?
Worauf führst es noch zurück, dass wir uns mit der Empathie gerade teilweise schwertun?
An die Anforderungen der Empathie. Wir denken, wenn wir das magische Zauberwort aussprechen und uns als emphatisch etikettieren, wird alles besser, alle lieben sich. Nachvollziehen, besonders wenn man Menschen eigentlich nicht mag oder auf seiner Meinung beharren möchte, ist harte Arbeit.
Wann hast Du persönlich zuletzt Empathie bei Deinem Gegenüber vermisst?
Immer wieder mal im Alltag, in Gesprächen, in Momenten, in denen mein Gegenüber genervt war, ich übrigens auch zwischendurch. Dann denkt man danach: Wäre man ein bisschen reflektierter gewesen, hätte man den eigenen Groll nicht auf das Gespräch oder den Gegenüber projiziert.