Constance Böhme
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Einsamkeit an der Spitze: Warum das kein Einzelfall ist

Geld, Macht und Erfolg schützen nicht vor Einsamkeit oder Depressionen. Das zeigen die jüngsten Beispiele bekannter High Performer:innen wie Unternehmer Wolfgang Grupp oder Tennisstar Alexander Zverev. Warum es an der Spitze oft einsam wird und was Führungskräfte tun können, damit das diffuse Gefühl nicht zum Problem wird, erklärt Coach Constance Böhme hier.

Einsamkeit an der Spitze: Warum das kein Einzelfall ist
"Einsamkeit ist kein Tabu. Sie ist Realität und darf benannt werden", sagt Constance Böhme | Foto: Hayley Austin

Es ist ganz still im Raum. Die Journalist:innen stellen bohrend ihre Fragen. Und dann sagt Alexander Zverev diesen einen Satz: „Ich fühle mich sehr einsam.“ Nicht auf dem Platz. Nicht im Match. Sondern im Leben.

Er war gerade in Wimbledon ausgeschieden und sprach danach in der Pressekonferenz nicht nur über das Spiel, sondern über sich. Darüber, dass er eine Auszeit braucht. Dass er keine Freude mehr spürt und herausfinden will, welche Menschen ihm wirklich guttun.

Nur zwei Wochen später wird bekannt, dass Wolfgang Grupp, Unternehmer-Ikone und langjähriger Trigema-Chef, einen Suizidversuch unternommen hat. Er schrieb in einem Brief an seine ehemaligen Mitarbeitenden: „Ich frage mich, wer mich überhaupt noch braucht.“



Das Gefühl von Einsamkeit ist keine Randerscheinung


Solche Sätze hört man öffentlich sonst selten. Doch als Coach, die vor allem Frauen in Führungspositionen begleitet, weiß ich: Das Gefühl von Einsamkeit ist keine Randerscheinung. Einsamkeit ist kein „nicht genug Menschen um sich haben“. Sie ist ein Mangel an echter Verbindung.

Und sie trifft auch Menschen in herausgehobenen Positionen. Laut einer Studie im Havard Business Review berichten 25 Prozent der befragten CEOs, dass sie häufig unter Einsamkeit leiden. 55 Prozent gaben an, dass sie sich regelmäßig einsam fühlen.



Niemand ist immer nur stark


Allgemein zeigen Menschen mit viel Verantwortung seltener, wie es ihnen wirklich geht. Sie bemühen sich, stark zu wirken, professionell, entschieden. Dabei wäre es so wichtig, sich selbst zeigen zu dürfen. Bei Frauen kommt oft hinzu: Sie sind viel für andere da, aber nicht unbedingt für sich selbst. Der Soziologe Hartmut Rosa sagt, Burnout entstehe dort, wo Menschen zu wenig Resonanzbeziehungen erfahren – also Beziehungen, in denen sie sich wirklich gehört, verstanden und berührt fühlen.

Ein Beispiel, das Mut macht: Gerade begleite ich eine große Agentur. Die Führungskräfte dort haben bewusst entschieden, sich einmal im Monat Zeit zu nehmen für Peer Coaching. Das heißt: Sie sprechen offen über schwierige Situationen und suchen gemeinsam nach Lösungen oder einfach nur nach Verständnis. Was dadurch entsteht? Vertrauen. Verbindung. Entlastung. Sie entwickeln sich fachlich weiter, ja. Aber noch viel wichtiger: Sie wachsen auch als Team.



Was Du daraus mitnehmen kannst:

  • Einsamkeit ist kein Tabu. Sie ist Realität und darf benannt werden.
  • Führung braucht Räume, in denen Du nicht stark sein musst, sondern einfach Du selbst sein darfst.
  • Beziehung ist kein „Soft Skill“. Sie ist Grundvoraussetzung für tragfähige, gesunde Führung.

 

Kennst Du das Gefühl, als Führungskraft viel zu tragen, aber wenig zeigen zu dürfen? Fehlen Dir Räume, in denen Du Dich nicht beweisen musst? Wenn Du diese Räume im eigenen Unternehmen (noch) nicht findest, dann lohnt es sich, sie außerhalb zu schaffen. Zum Beispiel in einer Gruppe. Im Coaching. Im Austausch mit Menschen, denen Du Dich wirklich zumuten darfst. Vielleicht beginnt das schon damit, heute einer Person zu schreiben: „Ich hab an Dich gedacht.“

Zur Person

Constance Böhme (43) ist Organisationsentwicklerin und Leadership-Expertin. Sie begleitet Teams in Veränderungsprozessen und hilft Führungskräften so zu führen, dass nicht nur möglichst viele Menschen um sie herum mit ihrem Job happy sind, sondern auch noch eigene Ideen einbringen. Seit 2016 organisiert sie „Executive Circles“, in denen sich Leader austauschen und mehr von sich selbst zeigen können. Ein Thema, über das sie noch gerne spricht: schlau scheitern.