STRIVE Redaktion

vor 8 Tagen

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Meine Gründungsstory: Ina Remmers von nebenan.de

Interview | Ina Remmers, Mitgründerin und Geschäftsführerin von nebenan.de. verrät uns im Interview, was sie zum Gründen bewogen hat, welche großen gesellschaftlichen Herausforderungen nebenan.de lösen möchte und welches Alleinstellungsmerkmal die Plattform hat.

Meine Gründungsstory: Ina Remmers von nebenan.de
Meine Gründungsstory: Ina Remmers von nebenan.de

Liebe Ina, stell Dich und Dein Team doch einmal vor.

Ich bin Mitgründerin und Geschäftsführerin von nebenan.de – dem sozialen Netzwerk für die Nachbarschaft. In unserem Team arbeiten inzwischen rund 100 Mitarbeiter:innen, aus 19 Nationen. Unser Büro ist in einem alten Industriegebäude in Kreuzberg – einige von uns arbeiten aber auch remote.

"Ich wollte etwas gestalten, wachsen und wirken sehen, das einen gesellschaftlichen Mehrwert schafft."

Was hat Dich zum Gründen bewogen?

Ich wollte etwas gestalten, wachsen und wirken sehen, das einen gesellschaftlichen Mehrwert schafft. Die Chance ergab sich, als mein Mitgründer Christian Vollmann auf mich zukam und von der Idee eines Netzwerks für die Nachbarschaft erzählte. Das war ein Schlüsselmoment, es fiel mir wie Schuppen von den Augen, dass ein solches Netzwerk – lokal statt global – immens nützlich für uns alle ist. Ich konnte meine Expertise für Markenentwicklung und Kommunikation ideal einbringen und die Brand nebenan.de mit unserem Gründerteam aus der Taufe heben.

Welches Problem möchtest Du mit „nebenan.de“ lösen?

nebenan.de bietet Lösungsansätze für viele unserer großen gesellschaftlichen Herausforderungen: Anonymität, Vereinsamung, Ressourcenverschwendung. Ich bin überzeugt: Wenn sich Menschen ganz lokal, in der eigenen Nachbarschaft vernetzen, kennenlernen und austauschen, hat das eine enorme Kraft: Sie bilden eine Gemeinschaft, auf die sie sich im Alltag verlassen können – und mit deren Hilfe sie kleine und große Krisen meistern können. Das fängt damit an, sich mal eben eine Bohrmaschine zu leihen und reicht bis zu Initiativen, in denen sich Nachbar:innen zusammenschließen, um sich um Bedürftige in ihrem Viertel zu kümmern. Die Summe tausender solcher Alltagsbegegnungen macht gesamtgesellschaftlich einen Unterschied.

Das zeigt auch unser aktueller Wirkungsbericht: nebenan.de hilft dabei, Einsamkeit zu verringern, den Austausch im Viertel zu fördern und Ressourcen gemeinsam zu nutzen.

Habt ihr mit oder ohne VC Investor:innen gegründet? Warum?

Um ein Online-Netzwerk aufzubauen, braucht es enorm viel Startkapital. Nicht nur für die technische Infrastruktur, sondern am Anfang auch für die Verbreitung. Denn Netzwerke funktionieren nur, wenn sie von möglichst vielen Menschen aktiv genutzt werden. Die kritische Masse ist dabei ganz entscheidend. Sonst stehen die ersten User vor dem “Empty-Dancefloor-Phänomen” – es ist zu wenig los, damit der Stein ins Rollen kommt. Ohne das Geld von unseren Business Angels, VCs, teilweise uns selbst und letztlich unserem strategischen Investor Burda hätten wir diese kritische Masse nicht erreichen können. Außerdem ist es als Sozialunternehmen unser Ziel, langfristig unabhängig von Spenden, Fördertöpfen oder eben Investorengeldern zu sein.

"Inzwischen haben viele Leute gemerkt, dass ihnen die Freunde und Follower auf der ganzen Welt wenig bringen, wenn sie während Corona in Quarantäne sind und der Kühlschrank leer ist. Dass es – gerade in Krisenzeiten – auf die Kontakte in der Nähe ankommt. Es gibt eine Rückbesinnung vom Globalen aufs Lokale. Da sind wir das Netzwerk der Stunde."

Der Markt der Sozialen Netzwerke ist hart umkämpft. Wie habt Ihr Euch mit nebenan.de durchsetzen können und es trotz aller Widrigkeiten geschafft, 2.5 Millionen Nutzer:innen für Euch zu begeistern?

In den Anfangstagen: Mut, Fleiß und Expertise. Wir haben zu sechst in einem sehr heterogenen Gründungsteam viel angeschoben, viel selbst gemacht und auf jeden Cent geschaut. Ich erinnere mich noch gut, wie wir z.B. in den Anfangstagen eigenhändig Einladungszettel in die Briefkästen unserer Nachbarn gesteckt haben, um zu gucken, wie die Idee ankommt.

Viel hat aber auch damit zu tun, dass wir mit nebenan.de zur richtigen Zeit am richtigen Ort sind. Inzwischen haben viele Leute gemerkt, dass ihnen die Freunde und Follower auf der ganzen Welt wenig bringen, wenn sie während Corona in Quarantäne sind und der Kühlschrank leer ist. Dass es – gerade in Krisenzeiten – auf die Kontakte in der Nähe ankommt. Es gibt eine Rückbesinnung vom Globalen aufs Lokale. Da sind wir das Netzwerk der Stunde.

Was ist an nebenan.de anders als bei anderen Social Networks?

Ich sehe drei große Unterschiede:

1) Viele Menschen haben inzwischen die Nase voll von permanenter Selbstdarstellung in sozialen Medien. Das zeigt auch die aktuelle GIM Zukunftsstudie. Bei nebenan.de geht es nicht ums ICH, sondern ums WIR. Niemanden interessiert, wie schön Dein Frühstück aussieht oder ob Du neue Designer-Möbel hast. Es geht darum, sich gegenseitig zu unterstützen (z.B. mit Bohrmaschine, Kinderspielzeug, Blumengießen, handwerklichem Geschick), sich kennenzulernen und sich gemeinsam für seine Nachbarschaft zu engagieren.

2) Anders als die allermeisten Social Networks ist unser Feed chronologisch. Alle Beiträge haben erstmal die gleichen Chancen auf Sichtbarkeit. So vermeiden wir Filterblasen – denn idealerweise sind Nachbarschaften heterogene Zufallsgemeinschaften.

3) Was mir persönlich am meisten Freude bereitet: Der Umgangston bei nebenan.de ist sehr freundlich und respektvoll. Das liegt nicht nur an den Klarnamen, sondern auch daran, dass man sich jederzeit in der Offline-Nachbarschaft über den Weg laufen könnte.

2020 wurde nebenan.de an den Burda-Verlag verkauft. Was hat sich seitdem verändert?

Burda begleitet uns als Investor bereits seit 2016. Wir kennen uns, unsere langfristigen Visionen und unsere Vorstellungen zur Zusammenarbeit. Natürlich sind wir uns seit 2020 nochmal deutlich näher und nun Teil der Burda Familie. Das bedeutet vor allem noch engeren strategischen Austausch und Zugriff auf ein großes Netzwerk schlauer Köpfe und Experten. Denn zu Burda gehören inzwischen sehr viele innovative Digitalunternehmen, von denen wir lernen können.

Was war für Dich persönlich die größte Herausforderung in Deiner Zeit als Gründerin?

Das Jonglieren von Kind und Firma während Corona. Als die Pandemie losging, war ich frisch in die Geschäftsführung berufen. Meine Tochter war gerade einmal 6 Monate alt und plötzlich wurde unsere Plattform mit Anmeldungen überrannt. Wir stampften eine Coronahilfe-Hotline aus dem Boden, waren medial überall präsent, mussten aber gleichzeitig alles auf Home Office umstellen und das Geld beisammen halten. Es wusste ja noch niemand, wie die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie aussehen würden. Das war definitiv ein wilder und kräftezehrender Ritt.

Welche drei Tipps würdest Du jüngeren Gründer:innen geben?

Über die Autorin:

Ina Remmers, Jahrgang 1983, ist Mitgründerin und Geschäftsführerin von nebenan.de. Sie zog es vom Erzgebirge über die Schwäbische Alb bis nach Berlin, wo sie immer wieder neu Anschluss finden musste. Als wirklich soziales Netzwerk soll nebenan.de genau dies in den Nachbarschaften ermöglichen. Ina Remmers ist zudem Gründerin des Organspende-Vereins „Junge Helden” und bei den German Startup Awards 2020 als „Beste Gründerin” für nebenan.de ausgezeichnet worden.

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