Interview | Constantin Schmutzler, Gründer der Berlin Startup School, hat in seinem Unternehmen die Vier-Tage-Woche eingeführt. Warum die meisten seiner Mitarbeitenden trotzdem fünf Tage arbeiten wollen, erzählt er hier.
STRIVE Redaktion
vor 18 Tagen
„Die Vier-Tage-Woche hat sich für mich komplett entzaubert“
Constantin Schmutzler, Gründer der Berlin Startup School
Tino, warum habt ihr bei der Berlin Startup School die Vier-Tage-Woche getestet? Kam der Wunsch von euren Mitarbeitenden, oder von der Führungsetage?
Ich hatte die Möglichkeit, ein neues Team aufzubauen und wollte schon immer einmal die Vier-Tage-Woche ausprobieren. Die Idee kam dadurch, dass ich selbst der Meinung war, dass am Freitag ohnehin etwas weniger gearbeitet wird. Also warum nicht auch offiziell den Mitarbeitenden diesen Tag frei geben?
Welche Erfahrungen habt ihr gemacht?
Am Anfang fühlte sich die Vier-Tage-Woche gut an. Die Mitarbeitenden haben sich schnell auf eine verkürzte Woche eingestellt, konnten ihre Arbeit überwiegend in 32 Stunden erledigen und wussten den zusätzlichen freien Tag zu schätzen. Der Wunsch, wieder auf fünf Tage hochzugehen, kam zuerst in den administrativen Abteilungen auf, zum Beispiel der Buchhaltung. Sie merkten, dass der Freitag, bzw. ein fünfter Tag, dabei helfen kann, die Woche im eigenen Tempo ausklingen zu lassen. Oder dass dann für die Erledigung einer Aufgabe schlicht ein Tag mehr zur Verfügung steht. In den kreativen Abteilungen, etwa dem Marketing, kam der Wunsch erst später.
Hat auch das Finanzielle eine Rolle gespielt?
Ja. Als wir aufgrund des gestiegenen Auftragsvolumen nach einigen Wochen das Angebot gemacht haben, auf fünf Tage hochzugehen und dabei auch die Gehälter entsprechend zu erhöhen, haben fast alle Kolleg:innen das Angebot angenommen.
Alle Mitarbeitenden sollten zur gleichen Zeit die Möglichkeit bekommen, die Arbeitswoche zu verkürzen oder zu verlängern.
Deine Mitarbeitenden haben sich gegen mehr Work-Life-Balance und für mehr Gehalt entschieden. Hat dich das überrascht?
Absolut. Ich hätte für die neuen Aufgaben auch neue Mitarbeitende einstellen können, fand es aber fair, dem bestehenden Team zumindest das Angebot zu machen, aufzustocken. Dass das so viele annehmen, damit habe ich nicht gerechnet.
Arbeiten inzwischen all deine Mitarbeitenden wieder fünf Tage die Woche?
Bis auf eine Kollegin, die neu dazugekommen ist, arbeiten tatsächlich inzwischen wieder alle fünf Tage.
So unterschiedlich die Mitarbeitenden, ihre Positionen und Arbeitsabläufe sind, so unterschiedlich sind auch ihre Motive, mal mehr oder mal weniger zu arbeiten.
Rückblickend: Welche Fehler habt ihr bei der Einführung der Vier-Tage-Woche gemacht?
Zu Beginn konnten alle Mitarbeitenden ihren freien Tag selbst wählen. Von Montag, über Mittwoch bis Freitag war alles dabei. Das hat aber schnell zu Verwirrung geführt, weshalb sich alle Mitarbeitenden dann auf Montag als freien Tag geeinigt haben. Das war besser für unsere internen Prozesse. Was ich noch raten würde, wenn man die Vier-Tage-Woche einführen möchte: Alle Mitarbeitenden sollten zur gleichen Zeit die Möglichkeit bekommen, die Arbeitswoche zu verkürzen oder zu verlängern. Wenn es sich eine Firma leisten kann, empfehle ich, alle sechs Monate eine solche Flexibilität anzubieten. Denn so unterschiedlich die Mitarbeitenden, ihre Positionen und Arbeitsabläufe sind, so unterschiedlich sind auch ihre Motive, mal mehr oder mal weniger zu arbeiten.
Dein Fazit: Ist die Vier-Tage-Woche überbewertet?
Sie hat sich für mich zumindest komplett entzaubert. Trotzdem würde ich resümieren, dass kürzere Arbeitswochen funktionieren können. Wir schreiben auch weiterhin alle Stellen entsprechend aus. Es im ganzen Unternehmen einheitlich umzusetzen, hat bei uns nicht funktioniert. Aber das Gute daran ist, dass wir die gute, alte Fünf-Tage-Woche wieder in einem anderen Licht sehen: Sie ist genauso "cool" wie der neue Trend der Vier-Tage-Woche.
Über die Person:
Constantin "Tino" Schmutzler ist der Gründer und Geschäftsführer der BERLIN STARTUP SCHOOL. Die gemeinnützige Gründerschule begleitet Gründer:innen von der Idee bis zum ersten Investment durch individuelles Coaching und verschiedene Programme – darunter auch ein staatlich geförderter Accelerator, in dem Teilnehmende ein Gründerstipendium erhalten ohne Anteile ihrer Idee abzugeben. Er selbst hat über 100 Startups begleitet und gibt sein Wissen auch als Gastdozent an verschiedenen Hochschulen weiter.