Christina Bösenberg

30. Mai 2022

9 Min. Lesedauer

Wie Diversity Talente binden kann

Kolumne | Vielfalt in Unternehmen ist der Anfang, nicht das Ziel. Um Talente zu halten und zu gewinnen, brauchen wir mehr Drive in Richtung Inclusive Leadership.

Wie Diversity Talente binden kann

Diverse Teams sind kreativer und innovativer und performen besser. Foto: Pexels

Ein neues Gespenst geistert durch die Welt: die „Great Resignation“. In den USA ist seit dem Jahr 2021 die größte Kündigungswelle der Geschichte im Gange – und sie schwappt zunehmend auf auch auf Deutschland über. 42 Prozent der deutschen Arbeitnehmer:innen wollen innerhalb der nächsten drei Jahre ihren Job wechseln. Die Wechselwilligkeit ist somit in Deutschland erstmals höher als in den USA (siehe hier).

Besonders interessant dabei: Diese Menschen sind sehr divers und nicht der privilegierte Durchschnitt; Menschen nicht-weißer Hautfarbe, ältere Menschen, Menschen mit religiöser Zugehörigkeit abseits des Mainstreams und Menschen mit nicht-heterosexueller Orientierung. Sie möchten jenseits von belastenden und unflexiblen Bedingungen arbeiten. 84 Prozent der weltweit Befragten des McKinsey Global Survey erlebten demnach wegen Diversity am Arbeitsplatz Mikroaggressionen von Kolleg:innen und Führungskräften. Also kleine Sticheleien, kränkende Witze oder andere Übergriffigkeiten. Fast die Hälfte aller Befragten fühlte sich nicht sonderlich ins Unternehmen integriert („included“).

Doch was bedeuten diese oft und manchmal synonym verwendeten Schlagworte genau? Während Diversity zeigt, wie die Mitarbeitenden aufgestellt sind, bedeutet Inclusion, aktiv zu werden und Maßnahmen für Zugehörigkeit zu etablieren. Bildlich gesprochen: Diversity lädt alle auf die Party ein – Inclusion aber sorgt dafür, dass alle auf der Party sich trauen, die Musik auszuwählen und mitzutanzen.

Gender-Gerechtigkeit ist nicht genug

Nehmen wir das in Deutschland am meisten diskutierte Beispiel der Gender Diversity.

Ich berate Topmanager:innen und das sind meist weiße Männer um die 45+ mit Hochschulabschluss und aus Akademikerfamilien. Ich weise sie darauf hin, dass es wichtig ist, nicht fortlaufend „Mini-Me“ Doubles zu befördern. Denn wir umgeben uns ganz automatisch mit Menschen, die uns ähnlich sind und uns bestätigen. Das nennen wir in der Wirtschaftspsychologie „Mini-Me Effekt“ oder auch Status-Quo Bias. Wir möchten das Vertraute und Gewohnte beibehalten. Solche unbewussten Unconscious Biases verhindern Geschlechter-Diversität in den Führungsetagen (mehr lesen Sie hier).

Doch so wichtig Gendergerechtigkeit ist, sie ist „nur“ eine Dimension von Diversity. Denn mal ehrlich: wenn wir von Frauen im Vorstand sprechen, meinen wir gemeinhin weiße Frauen mit akademischer Ausbildung aus der oberen Mittelschicht. Wir meinen damit nicht die afrikanische Immigrantin oder die LGBQT-Aktivistin mit türkischen Wurzeln. Auch das darf sich dringend ändern.

Vielfalt ist komplex – und nur mit Inclusion effektiv

Die Charta der Vielfalt, die bisher von rund 4600 Unternehmen und Institutionen in Deutschland unterzeichnet wurde, beschreibt u. a. auch äußere Faktoren wie den Bildungsabschluss, soziale Herkunft, das Einkommen, religiöse und sexuelle Orientierung und den Familienstand. Vielfalt ist also deutlich komplexer als gemeinhin diskutiert.

Für nachhaltigen Wandel im Unternehmen muss eine kritische Masse neu handeln und denken.

Hier aus Unternehmenssicht tiefer einzutauchen, zahlt sich aus. Zahlreiche Studien belegen, dass Diversity bzw. Vielfalt ein Erfolgsfaktor ist: Diverse Teams bilden verschiedenste Kundensegmente ab, bringen unterschiedlichste Perspektiven und Erfahrungen in Projekte ein, sind kreativer und innovativer und performen besser, wie u.a. die McKinsey-Studie „Diversity wins: How inclusion matters“ zeigt.

Das Thema boomt also, aber Achtung. Oberflächlich und als Marketingshow umgesetzt, kann Diversity nach hinten losgehen.

Wie Inclusive Leadership wirkt

Und hier kommen die Führungskräfte ins Spiel. Sie sind laut Studien hauptverantwortlich dafür, dass es nicht beim Diversitätsschaulaufen bleibt, sondern echte Inklusion gelebt wird. Eine Studie des Harvard Business Review zeigt, dass von Inclusive Leaders geführte Teams besser zusammenarbeiten und bessere Entscheidungen treffen. Zugehörigkeit ist einer der stärksten Motivatoren.

Inclusive Leaders erkennen die eigenen Vorurteile und Biases, prüfen und reflektieren ihr Verhalten regelmäßig und vermitteln allen Teammitgliedern ein Zugehörigkeitsgefühl zur Gruppe und den Wert ihres Beitrags. Inclusive Leaders stehen für offene und wertschätzende Kommunikation, decken Blind Spots auf und würdigen die Einzigartigkeit und Stärken jedes Teammitglieds.

Doch wie kommen wir zu einer solchen Kultur? Mit Diversity-Trainings über das Wochenende ist es nicht getan. Bewusstseinsbildung muss tiefer ansetzen, an der inneren Haltung, also den unbewussten Glaubenssätzen und Vorurteilen andocken. Coaching kann hier eine wertvolle Stütze sein. Anders als Trainings zielt es in vertraulichem Setting direkt auf innere Haltungen und Verhaltensänderung. Gerade digital ist Coaching einfach und breit einzusetzen. Die Wirksamkeit ist messbar, auch anhand von Diversity Indikatoren.

Die Entwicklung zu inklusivem Verhalten, kann aber nicht nur Führungskräften vorbehalten sein. Für nachhaltigen Wandel im Unternehmen muss eine kritische Masse neu handeln und denken. Auch Mitarbeitende sollten deshalb vom Coaching profitieren.

Von der Bereicherung durch Perspektivenvielfalt und vom gestärkten Zusammenhalt profitieren Unternehmen mit Innovationskraft und erhöhter Profitabilität, genauso wie Teams und jede*r einzelne. So bleiben Mitarbeitende auch gern beim Unternehmen. Unternehmen behalten ihre Talente – und die große Resignation hat keine Chance.

Über die Autorin

Christina Bösenberg ist Partnerin und Führungskraft mit europäischer Verantwortung, Wirtschaftspsychologin, Business Coach, Podcasterin, Keynote Speakerin und Industry Advisory Board Member bei CoachHub - der digitalen Coachingplattform. Nach über 20 Jahren als Managerin und #womanintech in der Wirtschaft inmitten der digitalen Transformation, gilt Christina Bösenberg über deutsche Grenzen hinaus als Vordenkerin für die Arbeitswelt der Zukunft - mit KI und dem Menschen in der digitalisierten Welt. Sie versteht es, Erfolgsmuster der digitalen Welt greifbar und praxisnah zu vermitteln und verbindet dies mit Erkenntnissen der modernen Gehirnforschung als #Businesshacks und #Lifehacks. Aktuell berät Sie als Transformation Architects EMEIA bei EY.

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