Virpy Richter

vor 7 Tagen

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4-Tage-Woche einführen: So klappt's!

Nur vier Tage arbeiten pro Woche bei vollem Gehalt – für viele ein Wunschszenario. Doch es kann funktionieren. Beim Affiliate-Netzwerk Awin wird die 4-Tage-Woche bei vollem Gehalt seit Januar 2021 global getestet. Virpy Richter ist dort CFO und leitet nebenbei die unternehmensinterne Taskforce der 4-Tage-Woche. Hier verrät sie ihre vier Tipps, für die Einführung einer 4-Tage-Woche.

Die 4-Tage-Woche ist ein Begriff, der in Deutschland noch ziemlich utopisch klingt. Dennoch haben hierzulande die ersten Firmen begonnen, Arbeitsmodelle zu entwickeln, die eine 4-Tage-Woche ermöglichen. Island und Spanien sind hier Vorreiter. Mit Erfolg?

4-Tage-Woche einführen: So klappt's!

Verschiedene Studien und Statistiken wie von Alda Island zeigen, dass die Mitarbeiter:innenzufriedenheit, Produktivität und erbrachte Leistung in Unternehmen mit 4-Tage-Woche gleichbleiben oder sich sogar bei den meisten Versuchsarbeitsplätzen verbesserten. Laut einer Studie der Uni Erfurt steigt die Produktivität mit Umsetzung des Konzeptes um 20 Prozent, da sich Mitarbeiter:innen stärker auf ihre Arbeit fokussieren und in vier Tagen die gleiche Leistung erbringen wie zuvor in einer vollen Arbeitswoche. Die Studienergebnisse zeigen zudem, dass das Engagement um 18 bis 20 Prozent stieg und das Stresslevel von 45 auf 38 Prozent sank. Auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbesserte sich von 54 auf 78 Prozent.

Weitere Vorteile: Durch die Einsparung eines Fahrtweges in der Arbeitswoche ist die 4-Tage-Woche sogar ökologischer als andere New-Work-Modelle. Der Arbeitsplatz kann geteilt werden, da nicht mehr alle Mitarbeiter:innen am selben Tag im Office sind. Arbeitgeber:innen können somit Bürofläche einsparen.

Die Liste der Vorteile einer 4-Tage-Woche ist lang. Doch was genau muss ein Unternehmen beachten, damit es eine 4-Tage-Woche erfolgreich umsetzen kann?

 

1. Mitspracherecht und Transparenz

Gerade die Einführung einer 4-Tage-Woche oder anderer Zukunftsprojekte, die eine größere Veränderung der Unternehmensstruktur mit sich bringen, erfordern eine transparente Kommunikation und gemeinsame Umsetzung mit den Mitarbeiter:innen. Denn niemand möchte vor vollendete Tatsachen gestellt werden. Das ist nicht nur unattraktiv, sondern wird von Mitarbeiter:innen auch nur selten gut aufgefasst.

 

Laut einer Studie der Peter Schmidt Group möchten 75 Prozent der deutschen Arbeitnehmer:innen sich nämlich in das Unternehmen mit eigenen Gedanken und Meinungen einbringen. Im Falle von Awin haben mehr als 80 Kolleg:innen weltweit aus den unterschiedlichen Abteilungen zusammengearbeitet, was ein voller Erfolg war und von den Mitarbeiter:innen sehr gut wahrgenommen wurde. Natürlich ist ein solches Vorgehen mit einer Menge Aufwand verbunden. Am Ende des Tages zählt es aber zu den entscheidenden Erfolgsfaktoren, bevor es an die Etablierung einer 4-Tage-Woche geht. Transparenz gegenüber allen Geschäftspartner:innen in Bezug auf die 4-Tage-Woche ist ebenso essenziell. Eine offene und frühzeitige Kommunikation nimmt Kund:innen Bedenken, sodass Serviceversprechen weiterhin vollumfänglich garantiert werden.

 

2. Prozessoptimierung und Büronutzung

Es geht jedoch um viel mehr als den offensichtlichen freien Tag. Themen wie New Work, Remote-Working und „Work whenever, wherever“ können ideal in die Überlegungen einfließen. Man sollte außerdem Prozesse und die aktuelle Meetingkultur kritisch hinterfragen:

 

Wie wichtig und notwendig sind wöchentliche Meetings?

 

Könnten diese auch zweiwöchig stattfinden? Und kann man diese von 60 auf 45 Minuten verkürzen? Gibt es Prozesse, die mit smarten Tools, wie zum Beispiel Asana, langfristig automatisiert bzw. vereinfacht werden können? Zu der Vision einer 4-Tage-Woche gehört auch die Festlegung klarer KPIs, die sowohl die finanzielle Performance, das externe Feedback der Partner:innen (bspw. durch einen NPS Score) und das interne Feedback der Mitarbeiter:innen wiederspiegeln.

 

Daneben bietet sich sogar das Überdenken des Bürokonzepts hinsichtlich der zukünftigen Nutzung des Büros an. Wie wollen Mitarbeiter:innen die Büroflächen zukünftig nutzen? Beispielsweise könnte das Büro als Ort für kreatives Arbeiten optimiert werden, während Fokusarbeit lieber im Homeoffice erledigt wird. Auch hier sollten die Mitarbeiter:innen eingebunden sein, damit sie ihre Ideen einbringen können und sich abgeholt fühlen. Eine Studie der Peter Schmidt Group macht deutlich, dass die Angebote von Unternehmen nämlich nicht unbedingt mit den Interessen der Mitarbeiter:innen übereinstimmen müssen.

 

3. Betriebsrat, HR, Teamorganisation und technisches Equipment

Sollte das Unternehmen eine:n Betriebsrat / Betriebsrätin haben, so ist es essenziell, dass diese:r nicht nur bei der Visionsfindung, sondern auch fortlaufend eingebunden ist und Implementierungsschritte geteilt werden. Daneben steht auch für die HR-Abteilung einiges an: Es müssen beispielsweise alle lokalen und womöglich internationalen gesetzlichen Richtlinien überprüft werden. Alles soll schließlich auf stabilen Füßen stehen.

 

Mitarbeiter:innen sollten auf jeden Fall mit ihren Teams besprechen, wann sie ihren freien Tag nehmen möchten. Dieser Punkt ist natürlich von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich und wird individuell angewendet. Beispielsweise könnte es unternehmensweit einen freien Tag für alle Mitarbeiter:innen geben. Ebenso könnte neues technisches Equipment erforderlich sein, wenn im Zuge der 4-Tage-Woche auch auf Remote-Working gesetzt werden soll. Viele Unternehmen sind durch die Corona-bedingte Home-Office-Zeit bereits digital gut aufgestellt, was ihnen auch bei der Etablierung der 4-Tage Woche zugutekommt.

 

4. Pilotphase mit laufenden Wasserstandsmeldungen

Sind alle Formalitäten geklärt und festgehalten, muss das neue Konzept nun in der Praxis getestet werden. Eine 4-Tage-Woche ist nicht von heute auf morgen umsetzbar und braucht sinnvollerweise eine Pilotphase. Sie ist deshalb so wichtig, weil die Geschäftsführung anhand von entsprechenden KPIs klar messen kann, ob diese auch erreicht werden können. Die Produktivität und Dienstleistung gegenüber den Kund:innen haben dabei oberste Priorität. Der Service für die Kund:innen und Partner:innen sowie die interne Mitarbeiter:innenzufriedenheit, aber auch die Produktivität und Arbeitsbelastung sollten durch externe und interne Befragungen kontinuierlich beobachtet und analysiert werden.

 

Damit eine 4-Tage-Woche langfristig funktionieren kann, muss man fortlaufend aus den Erkenntnissen lernen und enstprechende Anpassungen vornehmen.

Dabei ist es ratsam, sich dem Ziel etappenweise zu nähern. Beispielweise könnte erst einmal mit einer 4,5-Tage-Woche begonnen werden. So kann jedes Team und jede Abteilung erproben, wie sie ihre täglich anfallenden Aufgaben geschickt koordinieren können.

 

Fazit

Es gibt viele Ansätze, die ein Unternehmen fahren kann, um die Zufriedenheit, die Produktivität und das allgemeine Wohlbefinden seiner Mitarbeiter:innen zu steigern. Die 4-Tage-Woche ist dabei sicherlich einer der vielversprechendsten Ansätze. Über die Autorin Nach ihrem BWL Studium beginnt Virpy Richter ihre Karriere im Beteiligungscontrolling von Herlitz PBS und übernimmt nach 2 jähren die kaufmännische Leitung des niederländischen Standorts. Nach einem Wechsel zur My Toys Group und Conrad Electronic beginnt sie 2019 ihre Position als CFO bei dem Online-Marketing-Spezialisten Awin und verantwortet neben sämtlichen Finanzoperationen, die unternehmensinterne Task-Force der 4-Tage-Woche.

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