Nicole Kopp

vor 12 Tagen

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Was ich an der modernen Arbeitswelt nicht verstehe

New Work, Vereinbarkeit, Digitalisierung: Nicole Kopp berät Führungskräfte zu genau diesen Themen. Viele Diskussionen zur modernen Jobwelt versteht die Arbeitspsychologin dennoch nicht. Welche das sind – und warum sie sie für die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen für entscheidend hält, erklärt sie in ihrem Gastbeitrag.

Was ich an der modernen Arbeitswelt nicht verstehe
"Wenn Personalentwicklung wichtig ist, warum werden dann oft nur Führungskräfte weiterentwickelt?", fragt Nicole Kopp | Foto: Luca Goesto

Als Arbeitspsychologin beobachte ich viele Phänomene in der Arbeitswelt. Diese hier sind für mich nur schwer zu verstehen:

 

1. Wenn die Mitarbeitenden das höchste Gut eines Unternehmens sind, warum stehen ihre Bedürfnisse dann oft an letzter Stelle?

Menschen haben unterschiedliche Bedürfnisse, abhängig von Lebensphase, Neurodiversität und Gesundheitszustand. Geht es den Menschen schlecht, leidet das Unternehmen. Führungskräfte sollten deshalb immer wieder fragen: „Was brauchst du, um gute Arbeit zu leisten?“

 

2. Wenn Effizienz so wichtig ist, warum nimmt man sich nicht regelmäßig Zeit, um über die Zusammenarbeit nachzudenken?

Ohne Reflexion wiederholen sich Fehler und Probleme bleiben bestehen. Darum ist es wertvoll, regelmäßige Team-Retrospektiven durchzuführen und gemeinsam Maßnahmen zur Verbesserung der Zusammenarbeit zu definieren. 

 

3. Wenn die Unternehmensstrategie der Wegweiser in die Zukunft ist, warum kennt sie nur ein Bruchteil der Mitarbeitenden?

Studien zeigen, dass 95 Prozent der Mitarbeitenden die Strategie des Unternehmens nicht kennen oder nicht verstehen. Das ist verheerend: Wie sollen sie Entscheidungen treffen, die die Strategie unterstützen? Besser ist es, die Strategie partizipativ zu entwickeln und im Alltag immer wieder darauf hinzuweisen.

 

| Foto: Luca Goesto

4. Wenn Personalentwicklung wichtig ist, warum werden dann oft nur Führungskräfte weiterentwickelt?

Weiterbildungsmaßnahmen richten sich häufig nur an Führungskräfte. Doch auch Personen ohne Führungsverantwortung sollten ihre Kompetenzen weiterentwickeln. Gerade in Zeiten, in denen starre Strukturen zunehmend abgebaut werden, müssen zwischenmenschliche Kompetenzen gestärkt werden.

 

5. Wenn wir eine vielfältige Belegschaft wollen, warum beharren wir dann auf Vollzeit bei Führungskräften?

Nur 13 Prozent der Führungskräfte in Deutschland arbeiten Teilzeit. Oft wird angenommen, nur wer viel arbeitet, sei motiviert und verdiene die Führungsrolle. Dass es auch anders geht, zeigt die Schweiz: 43,3 Prozent der Frauen in Führungspositionen arbeiten Teilzeit. Häufig wird eine Stelle zu zweit besetzt, im Jobsharing. Das beugt nicht nur Überlastung vor, sondern ermöglicht es Unternehmen auch, gute Führungskräfte zu finden und zu halten.

 

6. Wenn wir von der Digitalisierung profitieren wollen, warum gibt man dann kaum Zeit fürs Erlernen neuer digitaler Kompetenzen?

Die Geschwindigkeit des Wandels war noch nie so hoch wie heute: Ständig gibt es neue digitale Tools, welche die Arbeitsprozesse erleichtern. Vielerorts erhalten die Mitarbeitenden nicht die notwendige Zeit, um sich mit den neuen Technologien vertraut zu machen. So bleibt viel Potenzial ungenutzt. Um die Vorteile der Digitalisierung voll ausschöpfen zu können, muss genügend Zeit für das Ausprobieren und Einüben neuer Werkzeuge und Gewohnheiten gegeben werden. 

 

Neues Arbeiten bedeutet, sich all diese Fragen ehrlich zu stellen und daraus Konsequenzen zu ziehen. Damit die Arbeit nicht nur effizienter, sondern auch menschlicher und zukunftsfähig wird. 

 

 

Zur Person

Nicole Kopp ist Arbeits- und Organisationspsychologin sowie Co-Gründerin von GoBeyond. Dort berät und coacht die Schweizerin Unternehmen wie Führungskräfte zu Themen wie New Work, Transformation und Strategie.

 

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