Leonie Schulze Bölling

31. März 2022

9 Min. Lesedauer

5 Gründe, warum sich Startups selbst sabotieren

Gastbeitrag | Haben junge Firmen die Anfangsphase verlassen, beginnt für viele Gründer:innen die eigentliche Arbeit: Denn jetzt sind gute Führung und Teamaufbau gefragt. Viele Führungskräfte haben genau damit aber große Schwierigkeiten, weiß Leonie Schulze Bölling, CEO der CoA Academy. Welche fünf Fehler Startups ihrer Erfahrung nach besonders häufig machen, beschreibt sie hier.

5 Gründe, warum sich Startups selbst sabotieren
5 Gründe, warum sich Startups selbst sabotieren

Der Proof of Concept ist längst erbracht: Die Hoodies sind bestellt, die Kund:innen und die Presse feiern das Produkt – und die Kasse klingelt, denn die Investor:innen haben begeistert ihre Finanzierungszusage unterschrieben. Der großen Vision der Gründer:innen steht nichts mehr im Wege. Die Richtung ist klar: Vollgas. Wachstum. Teamaufbau.

Die Anstrengungen aus der Aufbauphase zahlen sich endlich aus. Doch oft erleben wir, dass viele Unternehmen genau an dieser Stelle in große Schwierigkeiten geraten. Es verändert sich nämlich etwas Entscheidendes: Bis hierher waren die Faktoren Produktqualität, Geschäftsmodell, Finanzierung und die Überzeugungskraft der Gründer:innen ausschlaggebend für den Erfolg. Nun geht es um Skalierung, Teamaufbau und vor allem: Führung!

Nicht selten kommt es vor, dass auch die Gründer:innen daran zerbrechen.

Wenig Erfahrung und geringe Führungskompetenz führen oft zu hoher Mitarbeiter:innen-Fluktuation, die viel Zeit, Geld und Energie kostet. Es schleicht sich eine bedrückende und frustrierte Kultur ein, weil die Dinge einfach nicht mehr so laufen wie bisher. Die Unzufriedenheit der Mitarbeiter:innen und Überforderung der Führungskräfte führen zu schlechteren Ergebnissen bis hin zu gesundheitlichen Ausfällen. Es ist für die Betroffenen eine Katastrophe und für das Unternehmen bedeutet es, dass es hinter seinem Potenzial zurückbleibt – und sogar an schlechter Führung scheitern könnte. Nicht selten kommt es vor, dass auch die Gründer:innen daran zerbrechen.

In meinen Gesprächen mit Unternehmen fallen immer wieder dieselben fünf Punkte, die es Gründer:innen und Führungskräften in der Wachstumsphase besonders schwer machen. Dazu zählen:

1. Überforderte junge Führungskräfte

Oft führen junge Menschen mit wenig Berufserfahrung plötzlich Teams von fünf bis zehn Leuten. Nicht selten verdoppeln sich diese innerhalb 12 bis 18 Monaten, sodass bisherige Strukturen und Prozesse nicht mehr ausreichen. Viele Führungskräfte sind unsicher und können all die zwischenmenschlichen Probleme bei gleichzeitig hohen Zielvereinbarungen nicht mehr bewältigen. Es fällt ihnen schwer, mit Konflikten umzugehen, zu entscheiden, wer ins Team passt und wer nicht. Sie haben Schwierigkeiten, Feedback zu geben. Oft fehlt der Mut, auch schwierige Entscheidungen zu treffen – und etwa jemanden gehen zu lassen, der nicht ins Team passt.

2. Zwei von zehn Führungskräften delegieren ungern

Unter Führungskräften ist der limitierende Glaubenssatz weit verbreitet: „Nur, wenn ich es selbst mache, wird es richtig gemacht“. Daher bürden sie sich zu viel auf, sind überfordert und stehen nicht selten kurz vor einem Burnout. Sie wollen alles 100 Prozent perfekt machen und die Ergebnisse kontrollieren. Ihnen fehlt das Vertrauen in die Arbeit des Teams. Ich kenne das selbst sehr gut. Lange war ich davon überzeugt, dass die Mitarbeiter:innen einfach nicht ausreichend gute Ergebnisse liefern. Zumindest nicht so gut, wie ich dachte, dass ich es selbst könnte oder wie ich es mir gewünscht hätte. Dass ich als Chefin vor allem dann Einfluss auf das Ergebnis des Teams nehmen kann, wenn ich es nicht selbst erledige, war bisher eines meiner wichtigsten Learnings. Genau hier wird flexible Führung zu einer besonderen Kompetenz.

3. Eigener Perfektionismus trifft mangelnde Fehlertoleranz

Sechs von zehn Führungskräfte bestätigen mir, dass sie unternehmerisches Denken ihrer Mitarbeiter:innen vermissen. Noch immer erwische ich mich selbst dabei, wie ich denke: „Bis ich meinen Mitarbeiter:innen erklärt habe, wie ich es haben will, habe ich es schneller selbst erledigt.“ Es ist ein Teufelskreis, der beiden Seiten die Motivation nimmt.

Das Konzept des situativen Führens (mikromanagen, trainieren, coachen, delegieren) hilft mir in solchen Momenten sehr. Erstens: Ich lasse öfter zu, dass Fehler passieren, auch wenn ich sie vorhergesehen habe. Die Lernkurve, die bei meinem Gegenüber passiert, ist viel höher, als wenn ich es verhindert hätte. Natürlich geht das nur, bei Fehlern mit moderaten Konsequenzen. Zweitens: Ich ändere meinen Führungsstil je nach Aufgabe und Situation, zum Beispiel vom Delegieren (ich gebe die Aufgabe vollständig ab) zum Coaching (ich stelle Fragen und erweitere den Lösungsraum meines Gegenübers).

4. Ineffiziente Meetings

Acht von zehn Teamleads sagen, dass die meisten Meetings ineffizient, überflüssig sind oder zu lange dauern und oft ohne klares Ergebnis enden. Es fehlen klare Verantwortliche und eine zielführende Agenda mit striktem Timeboxing für jedes einzelne Meeting. Welche Themen werden in welcher Runde täglich, wöchentlich, monatlich, quartalsweise und jährlich besprochen? Wir nennen das unseren Meetingrhythmus.

Gerade in turbulenten Zeiten sorgt ein fester, eingeschwungener Takt für mehr Sicherheit und Planbarkeit. Gerade wenn es den Spagat zwischen strategischen und operativen Themen zu machen gilt, hilft der Rhythmus, um diese klar zu trennen. „Heute geht es um Thema X – hier brauchen wir jetzt eine Lösung. Thema Y besprechen wir im All-hands nächsten Monat.”

5. Menschen stellen Menschen ein, die so sind wie sie

Wir alle neigen dazu, mit Menschen zu sympathisieren, die uns ähnlich sind. Im Recruiting-Prozess kann das schädlich sein. Viele junge Unternehmen haben dadurch zu viele Leute im Team, die sich ähneln. Es fehlen die Diversität und andersartige Perspektiven, die sicherstellen, dass ein Problem von allen Seiten betrachtet wird, um die bestmögliche Lösung zu erzielen. Je nachdem welche Persönlichkeitsmerkmale das Leadership Team hat, fehlen entscheidende Kompetenzen und Präferenzen im Unternehmen.

Gerade in einer starken Wachstumsphase ist Führungskompetenz entscheidend, um die hohen Ziele und großartigen Visionen der Gründer:innen zu verwirklichen.

Stark vereinfacht gesprochen, braucht es zum Beispiel neben dem Typ Visionär:in und Macher:in auch den Typ Umsetzer:in und Koordinator:in. Wichtig ist beim Thema Diversität: Die Persönlichkeiten dürfen unterschiedlich sein, die gemeinsame Wertebasis ist die gleiche! Anhand der Unternehmenswerte Entscheidungen zu treffen, vor allem im Recruiting, ist ein wichtiger Erfolgsfaktor bei der Teamaufstellung. Meinen persönlichen AHA-Moment hatte ich, als ich verstanden habe, dass Werte die Eigenschaften sind, die uns als bestehendes Team stark machen und von anderen unterscheiden. Nicht die Eigenschaften, die ich in der Zukunft für wichtig halte. Es ist eine Bestandsaufnahme, kein Zielbild!

Gerade in einer starken Wachstumsphase ist Führungskompetenz entscheidend, um die hohen Ziele und großartigen Visionen der Gründer:innen zu verwirklichen. Viele dieser Visionen leisten einen entscheidenden Beitrag zu einer besseren Zukunft und Arbeitswelt. Deswegen lohnt es sich, weiter an ihnen zu arbeiten.

Der limitierende Glaubenssatz, dass wir nur mit harter Arbeit, Druck und Überstunden erfolgreich werden können, ist gefährlich. Er führt schnell zur Selbstsabotage. In meiner Rolle als CEO habe ich deshalb Erfolg für mich neu definiert: Ich fühle mich jetzt erfolgreicher, je weniger sich meine Arbeit wie Arbeit anfühlt. Das gleiche Ziel habe ich für mein Team. Wenn ich das schaffe, sind wir alle entspannt produktiv und erzielen gemeinsam grandiose Ergebnisse mit viel mehr Leichtigkeit. Das ist es, was wir auch in unserer Academy für unsere Mitglieder:innen erreichen.

Über die Autorin:

Leonie Schulze Bölling ist CEO der CoA Academy und Co-Autorin des Leadership Buches „CHIEF OF ANYTHING.“ Die CoA Academy bildet Führungskräfte in Wachstumsfirmen aus und hilft ihnen, ihre Ziele mit mehr Leichtigkeit zu erreichen. „Entspannte Produktivität” nennen sie das Erfolgsrezept, das erfahrene Business Leader zusammen mit ihrer eigenen geheimen Leadership-Toolbox mit den Mitglieder:innen teilen. Leonie spricht als Geschäftsführerin täglich mit Gründer:innen und People Manager:innen und kann deren Herausforderungen nachvollziehen.

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