Gastbeitrag | Frauen wird oft eine gewisse "Stutenbissigkeit" im Job nachgesagt. Dabei gibt es keine wissenschaftlichen Studien, die belegen, dass Frauen an ihrem Arbeitsplatz mehr konkurrieren als Männer. Dr. Bettina Pallazo ist promovierte Unternehmensethik-Beraterin – in ihrem Gastbeitrag beschreibt sie, dass der Unterschied in der gesellschaftlichen Bewertung und den patriarchalen Strukturen liegt.
Dr. Bettina Palazzo
vor 1 Tagen
"Zickenkrieg": Was ist dran am weiblichen Konkurrenzverhalten?
Seit ein paar Jahren gebe ich Workshops in Kommunikations-Aikido. Ich zeige Frauen, wie sie sich elegant, aber wirkungsvoll gegen Alltagssexismus, Unterbrechungen, Mansplaining und andere nervige Machtdemonstrationen oder Grenzüberschreitungen im Berufsleben wehren können.
Und jedes Mal sagen mir manche Teilnehmerinnen, dass sie die schlimmsten Attacken und Gemeinheiten nicht von Männern, sondern von anderen Frauen erfahren hätten.
Ich kann das nachvollziehen. Auch ich habe in meiner Karriere hinterhältiges Konkurrenzverhalten, unbarmherziges Aburteilen oder mangelhafte Unterstützung von Frauen erlebt. Und das tut weh. Ja, es tut sogar mehr weh als fieses Verhalten von Männern. Ich war enttäuscht und wütend, weil ich davon ausging, dass man sich unter Frauen unterstützen sollte - vor allem in der oft männerdominierten Businesswelt. Ausserdem schadet dieses Verhalten allen Frauen, weil es dann wieder heisst "Frauen untereinander sind gehässig." oder "Reine Frauenteams, das geht nie gut!".
"Männer, die miteinander konkurrieren sind die Platzhirsche, die um die Vorherrschaft kämpfen. Frauen werden als stutenbissig abgestempelt. Ein Recht auf gesunden und normalen Konflikt wird ihnen abgesprochen."
Ist weibliches Konkurrenzverhalten naturgegeben?!
Der Volksmund will uns sogar glauben machen, dass Frauen grundsätzlich, quasi von Natur aus, missgünstig und neidisch aufeinander sind. Wir alle kennen die wenig schmeichelhaften Vergleiche von Frauen mit bockigen Zicken oder die bissigen Stuten, die sich gegenseitig ausstechen wollen.
Neueste Studien belegen allerdings, dass es keinerlei wissenschaftliche Beweise dafür gibt, dass Frauen miteinander missgünstiger und feindseliger umgehen als Männer. Auch Männer konkurrieren in Unternehmen miteinander und es ist normal, dass Menschen, die in Teams zusammenarbeiten sollen, erstmal durch eine Phase des «Storming» (=Konfliktbewältigung) gehen, bevor sie performen.
Was ist der Unterschied? Die gesellschaftliche Bewertung: Männer, die miteinander konkurrieren sind die Platzhirsche, die um die Vorherrschaft kämpfen. Frauen werden als stutenbissig abgestempelt. Ein Recht auf gesunden und normalen Konflikt wird ihnen abgesprochen.
"Der Zickenkrieg ist keine weibliche Eigenschaft ist, sondern eine Folge patriarchischen Strukturen. Frauen sind die Ausnahme und sie können nur mitspielen, wenn sie «ihren Mann stehen» und ihre Mitschwestern ausbremsen und links liegen lassen."
It is the patriarchy, stupid!
Der Zickenkrieg ist keine weibliche Eigenschaft ist, sondern eine Folge patriarchischen Strukturen. Die grossartige Komikerin Carolin Kebekus hat das mit dem Titel ihres Buches "Es kann nur eine geben!" genial zusammengefasst. Sie erklärt, wie Frauen von Kindesbeinen an vermittelt wird, dass der Platz an der Sonne nur für die wenigsten von uns zu haben ist. Die Auserwählten, die Besonderen, die mit den Jungs mitspielen dürfen. Schon für das Krippenspiel an der Schule gab es nur eine weibliche Hauptrolle – Maria. Bei den Schlümpfen gibt es nur eine Frau – Schlumpfine.
Alle männlichen Schlüpfe haben einen Job oder bestimmte Fähigkeit – der Gärtner-Schlumpf, der Richter-Schlumpf. Erinnert ihr euch, welche besondere Fähigkeit Schlumpfine hat? Sie war einfach nur hübsch. Schneewittchen und die sieben Zwerge? Genau!
Leider ist es bis heute nicht nur in der Märchenwelt so, dass Frauen die Ausnahme sind, sondern auch in unseren patriarchalisch geprägten Unternehmen. Frauen sind die Ausnahme und sie können nur mitspielen, wenn sie «ihren Mann stehen» und ihre Mitschwestern ausbremsen und links liegen lassen. Kaia Andrea Otto bringt das auf den Punkt und spricht hier von einer «gesellschaftlich gestalteten Mangelsituation für Frauen».
So lässt sich auch erklären, warum uns die Erfolgstories anderer Frauen so unangenehm triggern und irritieren können. Das liegt nicht daran, dass wir neidisch Zicken wären, sondern weil wir befürchten müssen, dass wir das nicht erreichen können, weil das ja schon eine andere Frau geschafft hat. Was tun?!
Sisterhood statt Stutenbissigkeit!
Der erste Schritt ist, sich bewusst zu machen, dass die patriarchale Mär von den limitierten Plätzen für Frauen einfach nur ein gesellschaftliches Konstrukt ist, dass dazu dient, Frauen klein zu halten. Wenn Frauen sich gegenseitig Steine in den Weg legen und sich in der Rolle als Einzelkämpferinnen aufreiben, dann muss der Mann sich auch keine Sorgen machen, dass mehr Frauen aufsteigen, und das aktuelle System und seine eigenen Privilegien bedrohen könnten.
Schickt den (Karriere)Aufzug zurück!
Wenn aber Frauen, die es nach oben geschafft haben, mithelfen, dass mehr Frauen aufsteigen, dann haben wir schneller die magische Grenze von 30% Frauen in Führungspositionen erreicht. Warum 30%? Weil erst dann Frauen nicht mehr als seltene Minderheit gesehen und diskriminiert werden.
Alliiert Euch!
Damit Frauen leichter und schneller Karriere machen, brauchen sie weibliche Unterstützung und den Austausch mit anderen Frauen. Alles wird leicht, wenn frau verstanden hat, dass sehr viele der Schwierigkeiten, mit denen sie qua Frau im Beruf zu kämpfen hat, keine persönlichen oder psychologischen Probleme sind, sondern systemisch und soziologisch. Weibliche Karriereherausforderungen brauchen also auch systemische Lösungen und die kriegt frau nun mal nicht allein hin. Ganz konkret können Frauen sich gegenseitig ermutigen, ihre Stimmen verstärken und ihre Erfolge feiern. Und das am besten nicht vereinzelt, sondern als Gruppe von Verbündeten.
Weibliche Stimmen verstärken
Wenn eure Kollegin Nora gerade eine großartige Idee ins Meeting eingebracht hat, ihr Beitrag aber ignoriert wurde, nur um zehn Minuten später von Max in lauter als seine Idee verkauft zu werden, dann sagt: «Genau, Max, schön dass du Noras Idee nochmal aufgreifst! Nora, erklär das doch nochmal genauer!»
Wenn ihr wisst, dass Nicole Expertin für das Thema der nächsten Teambesprechung ist, aber zu introvertiert ist, um sich aktiv einzubringen, dann unterstützt sie bei der Vorbereitung des Treffens. «The meeting before the meeting» ist eine wirksame Strategie, die Männern häufig einsetzen, um ihre Ziele zu erreichen.
Weibliche Erfolge feiern!
Und wenn eine Kollegin ein Riesenprojekt an Land gezogen hat, dann seid nicht eifersüchtig, sondern feiert ihren Erfolg und nehmt ihn als Inspiration und Ansporn für euch selbst!
Auf geht’s, Schwestern! Wir tragen hier eine Verantwortung, denn die Zeiten sind günstig für mehr Frauen in Führungspositionen. Wir müssen diese Chance gemeinsam ergreifen, damit endlich mehr voran geht.
Über die Autorin:
Dr. Bettina Palazzo ist promovierte Unternehmensethik-Beraterin und hilft Unternehmen dabei, ihre Integritätskultur zu verbessern und frischen Wind in ihr Ethik- und Compliance Management zu bringen.