Micromanager:in will kaum eine Führungskraft sein. Trotzdem gelingt es vielen nicht, Verantwortung nachhaltig abzugeben. Hier erklärt Organisationsentwicklerin Elena Mertel, wie Führungskräfte Eigenverantwortung fördern und Mitarbeitende echtes Ownership übernehmen können.
Elena Mertel
03. März 2025
Wie Du Ownership und Verantwortung in Deinem Team stärkst

Vor einigen Jahren arbeitete ich als Organisationsentwicklerin im Ministerium. Ich startete voller Motivation und mit unzähligen Ideen, doch musste schnell feststellen: Viel Spielraum gab es nicht, dafür umso mehr Kontrolle. Meine Vorgesetzte sagte: „So toll, dass du da bist!“ – während mir ihr Verhalten das Gegenteil zeigte.
Sie wollte alles im Blick behalten, Erwartungen blieben diffus und das Abhaken täglicher To-Dos stand über dem großen Ganzen. Dass ich Aufgaben auf eigene Art und Weise löse, war nicht vorgesehen. Meine Motivation war schneller weg, als Du „Micromanagerin“ sagen kannst, und das war der Anfang vom Ende.
Warum rutschen Führungskräfte ins Micromanagement?
In all den Jahren, in denen ich mit Führungskräften arbeite, ist mir noch niemand begegnet, der stolz behauptet hat, ein:e Micromanager:in zu sein. Die meisten wollen keine übermäßige Kontrolle ausüben, trotzdem passiert es oft – aus Unsicherheit oder Unklarheit über die eigene Rolle. Ich kenne das gut. Dieses Motto: „Nur wenn ich es selbst mache, wird das richtig.“
Manchmal lohnt sich das – oft aber auch überhaupt nicht. Denn wer alles zu jeder Zeit unter Kontrolle haben möchte, nimmt anderen ihre Handlungsfreiheit, blockiert Entscheidungen und verhindert, dass Mitarbeitende in Verantwortungsbereiche hineinwachsen können. Und noch schlimmer: Beim Versuch für alles die Verantwortung zu tragen, verlierst du den Weitblick, Entscheidungen werden nicht besser. Du überlastest Dich selbst.
Ownership beginnt bei Dir selbst
Im Kontext von Arbeit wird der Begriff Ownership häufig synonym mit Eigenverantwortung verwendet. Gemeint ist: Verantwortung für sich selbst, eigene Bedürfnisse und Reaktionen zu übernehmen. Es bedeutet, sich proaktiv einzubringen, statt reaktiv abzuwarten.
Stephen Covey beschreibt in „Die 7 Wege zur Effektivität“, dass Menschen entweder proaktiv handeln und nach Lösungen in ihrem Einflussbereich suchen – oder reaktiv bleiben und auf andere warten („Das Top-Management müsste mal…“, „Dazu bräuchten wir Mitarbeitende, die…“.).
Was heißt das für Führungskräfte, die Ownership fördern wollen?
Du kannst Mitarbeitende unterstützen, in kleinen nächsten Schritten zu denken, auf aktive Sprache achten („Ich werde“ statt „Man müsste mal“) und Du kannst vorleben, was es bedeutet eine Veränderung, die Du für sinnvoll hältst, anzupacken, einen konkreten nächsten Schritt zu suchen und auszuführen.
Um Verantwortung übernehmen zu können, müssen Handlungsspielräume klar sein
Unsere Möglichkeit, Ownership zu übernehmen, wird bestimmt von unserem Handlungsspielraum: Wer selbstständig arbeitet, kann eigenverantwortlich einen LinkedIn-Post veröffentlichen. Wer angestellt ist, für den oder die steht der eigene Verantwortungsbereich und die Abstimmung mit anderen schnell im Spannungsfeld zueinander. Obwohl Menschen grundsätzlich Verantwortung übernehmen wollen, fällt es vielen Mitarbeitenden in Organisationen schwer, weil sie stets im Kontext eines größeren Ganzen agieren.

In einem früheren Job bekam jede:r zum ersten Arbeitstag einen Jutesack, darauf stand: „Wir stehen hinter Dir. Übernimm Verantwortung. Übergib Verantwortung. Zeige Mut und entscheide.“ Praktisch bedeutete dies: Eine Rolle mit Befugnissen zu haben, grob zu wissen, was ich entscheiden kann und, was andere von mir erwarten. Erst später habe ich verstanden: Das war kein Zufall. Eigenverantwortung war tief in der Organisation verankert – durch Werte, Führungskultur und klare Rollen.
Wir lernen: Ownership ist nur möglich, wenn die Führungskraft die Übernahme von Eigenverantwortung ermöglicht und fördert. Dabei ist es nicht die Aufgabe von Führung an Mitarbeitenden rumzudoktern („Den müssen wir mal ins Coaching schicken!“), sondern Arbeitsbedingungen zu schaffen, die die individuelle Verantwortungsübernahme erlauben. Es braucht Gespräche über Erwartungen und es muss allen bewusst sein: Verantwortlichkeiten, die in der Zukunft liegen, können immer nur vage formuliert sein. Und hier wird es kniffelig.
Führungskräfte können einen Unterschied machen – wenn sie wirklich wollen
Reflektierte Führungskräfte fragen nicht: „Wer ist schuld?“, sondern: „Was können wir daraus lernen?“ Sie sagen nicht: „So würde ich das machen“, sondern: „Was braucht ihr von mir?“
Liest sich einfach. Ist verdammt schwer. Denn in der Praxis heißt das, zu reflektieren: Welche Zukunft hast Du für Dein Team im Kopf? Wie funktioniert Führung und Zusammenarbeit, wenn alles gut läuft? Wie gestaltest Du ein Klima, in dem Menschen konstruktiv und eigenverantwortlich zusammenarbeiten können?
Generell gilt: Wer Ownership stärken will, muss aushalten, dass manches länger dauert, bevor es schneller geht. Dass „anders“ nicht schlechter ist und Perfektionismus lähmen kann. Ownership entsteht nicht durch Appelle, sondern durch Strukturen, die Eigenverantwortung fördern, durch Sprache, die Klarheit schafft, und durch Anreize, die Initiative belohnen. Und ja, ich behaupte: Wer seine eigenen Schwächen kennt, hat ein Herz für die Stärken anderer.
Bewusste Führung fördert Eigenverantwortung
Ownership zu stärken ist keine einmalige Aufgabe. Es ist eine Haltung und eine Entscheidung. Das zu wollen, erfordert Mut, Offenheit und die Bereitschaft, übermäßige Kontrolle und Perfektionismus loszulassen. Die Mühe lohnt sich. Denn am Ende gewinnt nicht nur das Team, sondern auch die Führungskraft selbst. Und wer weiß: Vielleicht werden Dir Deine Mitarbeitenden eines Tages sagen: „So toll, dass Du da bist!“ – und es auch wirklich so meinen.
Zur Person
Elena Mertel ist Coach und Organisationsentwicklerin. Mit ihrem Startup Ria Meta begleitet sie Menschen, die sich selbst und ihr Team weiterentwickeln möchten. Auf LinkedIn schreibt Elena regelmäßig über bewusste Führung, Kommunikation und ihren Weg als Gründerin.