Hannah Andresen

vor 13 Tagen

7 Min. Lesedauer

Familie und Firma gemeinsam managen: So geht Shared Leadership als Paar

Interview | Mareike Boccola ist Mitinhaberin und Leiterin Vertrieb & Marketing beim Spezialmaschinenbau-Unternehmen Hauschild Speedmixer. Gemeinsam mit ihrem Ehemann Fabio hat sie 2015 die Führung des Familienunternehmens übernommen. Passend zu unserem aktuellen Heft-Schwerpunkt "Vereinbarkeit" haben wir mit Mareike darüber gesprochen, wie es zu dieser Entscheidung kam, welche Herausforderungen sie und ihr Mann als Paar in der Unternehmensführung meistern und wie sie es schaffen, Berufliches und Privates klar voneinander zu trennen.

Familie und Firma gemeinsam managen: So geht Shared Leadership als Paar
Familie und Firma gemeinsam managen: So geht Shared Leadership als Paar

Liebe Mareike, Du bist gemeinsam mit Deinem Ehemann Fabio ins Unternehmen Deines Vaters, „Hauschild Speedmixer“, eingestiegen. 2015 habt Ihr die Firmenführung übernommen – er als CEO und Du als Gesellschafterin und Leiterin Vertrieb & Marketing. Wie kam es zu dieser Entscheidung?

Fabio und ich waren lange Jahre in verschiedenen Ländern als Expatriate unterwegs und mit Geburt der Kinder war uns klar, dass wir mittelfristig "sesshaft" werden wollten. Geplant hatten wir jedoch noch nichts, als mich 2013 mein Vater anrief. Er wollte wissen, wie es mit dem Unternehmen weitergehen sollte. Und zwar ohne Druck zur Übernahme, es ging ihm hauptsächlich um Planungssicherheit für das Hauschild-Team und natürlich für die Geschäftspartner und Kunden.

Wie teilt Ihr Euch inhaltlich auf?

Fabio ist von Haus aus Ingenieur und hat sich sofort in unser Produkt "verliebt". Da wir zudem zu der Anfangszeit 2 kleine Kinder hatten und ich meine Mutterrolle auch leben wollte, war für uns klar, dass er die operative Leitung des Unternehmens als Geschäftsführer/CEO übernimmt. Darunter fällt z.B. auch der gesamte technische Bereich – und zwar nicht nur die Produktion, sondern vor allem die Forschung und Entwicklung, das Herzstück unserer Innovationstätigkeit. Ich habe BWL studiert und mein gesamter Karriereweg hat sich auf Marketing, Geschäftsentwicklung, Vertrieb und PR fokussiert. Von daher war es nur logisch, dass ich auch diese Aufgaben bei uns im Unternehmen übernehme.

"Wichtig war uns immer, keine 'Revolution' anzuzetteln, sondern Änderungen behutsam einzuführen und dabei auch die Gründe und Vorteile zu kommunizieren."

Was ist Deines Erachtens die größte Herausforderung bei der Übernahme eines Familienunternehmens?

Das Wichtigste aus meiner Sicht ist eine klare, transparente Kommunikation zwischen allen Beteiligten. Zunächst auf der familiären Ebene, wo sich Rollen schnell vermischen. Bei uns saßen physisch drei Personen am Tisch, faktisch aber der Vater, Schwiegervater, Seniorchef, die Tochter, Ehefrau, Nachfolgerin und der Schwiegersohn, neue Geschäftsführer und Ehemann. Da kann man schnell durcheinander kommen, wenn die "Rolle" im Gespräch nicht klar ist. Darüber hinaus muss man die Mitarbeitenden mitnehmen. Mit neuen Menschen kommen natürlich neue Ideen, das ist für ein traditionelles Unternehmen wie unseres auch unheimlich wichtig. Die Zeiten und Umstände ändern sich und wir müssen uns anpassen. Wichtig war uns aber immer, keine "Revolution" anzuzetteln, sondern Änderungen behutsam einzuführen und dabei auch die Gründe und Vorteile zu kommunizieren.

Was war Eure größte bisherige Herausforderung bei der gemeinsamen Führung des Unternehmens?

Es ist fast zum Schmunzeln: die Kommunikation. Es passiert immer wieder, dass ich unbeabsichtigt zwei Hüte aufhabe. Nicht selten sprechen mich Mitarbeitende an oder stellen mir Fragen, obwohl ich gar nicht die direkte Vorgesetzte bin (denn das bin ich ja nur von unserem Vertriebsteam). Das passiert in einem kleinen Unternehmen schnell auf dem Flur oder in inoffiziellen Gesprächen. Wir haben ein Organigramm eingeführt und eigentlich ist die goldene Regel, dass man sich immer an die Kommunikationslinie hält – und da muss ich mir tatsächlich manchmal an die eigene Nase fassen. Meinen Mann ärgert das natürlich, denn eine solche Situation macht ihm das Leben extra schwer. Wir haben einen Running Gag zwischen uns: Ich reporte im Bereich Vertrieb/Marketing an ihn, da ist er also quasi mein Vorgesetzter. Sollte ich mit einer Entscheidung dann mal nicht einverstanden sein, setze ich mich als Eigentümerin über ihn hinweg und revidiere diese. Das ist natürlich nur ein Witz, aber es zeigt die "Explosivität" der Zusammenarbeit meines Erachtens ganz gut auf. Und vor dem Hintergrund ist transparente Kommunikation das A und O.

Nehmt Ihr alle Themen auch mit nach Hause? Wie schafft Ihr es, private und berufliche Themen klar voneinander abzugrenzen?

Die Firma sitzt bei uns auf dem Sofa, am Abendbrottisch, im Urlaub. Sie ist allgegenwärtig, aber das ist in Familienunternehmen oft so, glaube ich. Und es ist auch nicht schlimm, denn wir lieben ja, was wir tun – auch wenn es natürlich schwierige Momente gibt. Von daher ist gemeinsames oder individuelles Abschalten wichtig. Da sagen wir dann beide ganz klar: Okay, jetzt lassen wir Arbeitsthemen mal beiseite. Klappt meistens aber nicht.

"Wir sehen jeden einzelnen Mitarbeitenden als Menschen und nicht nur in seiner Rolle bei Hauschild."

Welche Werte teilt Ihr als Unternehmer:innen?

Ehrlichkeit, Vertrauen und Verlässlichkeit, gegenseitigen Respekt und Wertschätzung, "Erfolg ist Teamarbeit" und die Fähigkeit zum Perspektivwechsel – ich würde es sonst auch unter Empathie zusammenfassen. Und wir sehen – wie mein Vater uns das vorgemacht hat – jeden einzelnen Mitarbeitenden als Menschen und nicht nur in seiner Rolle bei Hauschild. Hat jemand ein Problem, wird das nicht ignoriert, sondern wir versuchen zu helfen: mit Verständnis, einer Auszeit oder auch finanziell. Für uns hat der Begriff "Familienunternehmen" auch die Bedeutung, dass wir uns wie eine Familie umeinander kümmern.

Wo wart Ihr Euch in der Vergangenheit auch mal nicht einig?

Wir kommunizieren wie gesagt sehr offen und damit werden Uneinigkeiten dann doch relativ schnell gelöst. Kürzlich ging es um einen Bewerber; drei Personen inklusive mir hatten ihn so gut wie eingestellt. Mein Mann hatte aber ein ungutes Gefühl und so sind wir nochmals in die Tiefe gegangen. Und das war auch gut so, denn wir haben schlussendlich keinen Arbeitsvertrag unterzeichnet. Insgesamt ergänzen wir uns prima und nutzen die Stärken des anderen. Und wir habe dieselbe Vision oder Zielsetzung: Wir nennen es bei uns immer "the Big Picture". Alle anderen Uneinigkeiten sind kleinere Themenfelder, die in jeder Zusammenarbeit auftauchen können.

Was ist Dein Tipp an Paare oder Freund:innen, die gemeinsam arbeiten?

Klare Aufgabenverteilung und Verantwortlichkeiten. Darüber hinaus offene Kommunikation über alle Themen. Die Stärken des anderen aktiv nutzen und immer das Gesamtziel vor Augen haben. Und – da spreche ich aus Erfahrung: nichts persönlich nehmen. Das ist besonders schwierig, aber eben auch besonders wichtig.

Über Mareike Boccola:

Mareike Boccola ist 47 Jahre alt, Mutter von zwei Mädchen und Nachfolgerin in zweiter Generation in einem Spezialmaschinenbau-Unternehmen im nordrheinwestfälischen Hamm. Nach ihrem BWL Studium hat sie ihre Berufserfahrung sowohl in einem VC-finanzierten Start-Up, als auch in einem spanischen Großkonzern gesammelt. Dabei war sie vier Jahre in Peking (China) und sechs Jahre in Abu Dhabi (VAE) stationiert. 2013 ist sie gemeinsam mit ihrem Ehemann in das elterliche Unternehmen eingestiegen und führt es seit 2015 in die nächste Generation.

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