Swantje Allmers

vor 8 Tagen

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„Haben Sie Kinder?“

Gastartikel I Arbeitnehmerinnen werden im Gegensatz zu Männern häufig nach ihrem Kinder-Status gefragt und beurteilt. Warum das übergriffig ist und stereotype Rollenbilder festigt, aber auch wie Sie diesen Situationen begegnen können, erklärt Ihnen Swantje Allmers, Unternehmensberaterin, Trainerin und Speakerin in ihrem Gastbeitrag.

„Haben Sie Kinder?“

(Symbolbild)

Kind oder nicht: Kann man mich mit der Information wirklich besser einschätzen? Anders kann ich mir nicht erklären, dass kaum eine Woche vergeht, in der mir diese Frage nicht gestellt wird – nicht privat, sondern von Menschen, die ich beruflich treffe.

Wenn ich „Nein“ antworte, gibt es meist eine der folgenden Reaktionen: Abwarten, ob ich noch erläutere, warum nicht. Ein aufmunterndes „Kann ja noch kommen.“ (passiert immer seltener) oder die indiskrete Frage nach dem Grund. Gelegentlich folgt auch die Feststellung, ich hätte mich wohl für meine Karriere entschieden.

Die Klischees, mit denen berufstätige Mütter konfrontiert werden, sind genauso schlimm. So werden sie zum Teil als Rabenmütter klassifiziert und als weniger flexibel.

In dem Moment spüre ich, wie mir ein Label aufgeklebt wird. Eine stereotype Vorstellung darüber, wie ich bin, aufgrund der Tatsache, dass ich keine Kinder habe. Sei es die egoistische Karrierefrau, die Einschätzung, ich hätte berufliche Vorteile gegenüber meinen Geschlechtsgenossinnen mit Familie oder die Annahme, ich sei flexibler als andere – vielleicht auch moralisch. Auf LinkedIn wurde ich schon als asozial bezeichnet, weil ich mich nicht am Generationenvertrag beteiligen würde.

Das passiert natürlich nicht nur kinderlosen Frauen. Die Klischees, mit denen berufstätige Mütter konfrontiert werden, sind genauso schlimm. So werden sie zum Teil als Rabenmütter klassifiziert und als weniger flexibel, nicht so engagiert oder dauerhaft zerrissen zwischen Familie und Beruf. Sie müssen sich Fragen gefallen lassen wie „Wer kümmert sich um die Kinder, wenn du auf Dienstreise bist?“ oder „Wie organisiert ihr das zu Hause, wenn du Vollzeit arbeitest?“. Das geht niemanden etwas an und ist indiskret. Und es sind vor allem Fragen, die Männern nicht gestellt werden.

Das ist alles nichts Neues, aber leider immer noch aktuell. Das Rollenbild, in dem Frauen Kinder kriegen müssen und für deren Versorgung zuständig sind, ist tief verwurzelt. Erfüllt eine Frau nicht das Klischee, hat das schnell eine negative Konnotation.

Muttersein ist individuell, Nicht-Muttersein ebenfalls.

Ironischerweise hat sowohl die Entsprechung als auch die Nichtentsprechung normativer Rollenvorstellungen berufliche Nachteile. Nach wie vor beziehen viele Entscheidungsträger:innen bei jungen Frauen das „Risiko“ einer Schwangerschaft in ihre Überlegungen mit ein. Frauen mit kleinen Kindern bekommen lieber nicht die verantwortungsvolle Position mit Reisetätigkeit angeboten. Und kinderlosen Frauen mittleren Alters eilt häufig der Ruf voraus, zu aggressiv und karriereorientiert zu sein, insbesondere wenn sie auch noch Single sind. Fast nie bekommen wir das ins Gesicht gesagt – wer will schon als diskriminierend dastehen?!

Ich finde es übergriffig, dass Frauen aufgrund der schlichten Tatsache, dass sie eine Frau sind, von Menschen, die sie kaum kennen, auf ihre Reproduktion angesprochen werden. Und es nervt, dass auf dieser Basis pauschale Einschätzungen getroffen werden. Muttersein ist individuell, Nicht-Muttersein ebenfalls. Unter welchen Umständen wir leben, wer wir sind und welche Werte wir haben, lässt sich daran nicht ablesen. Aber am schlimmsten finde ich, dass private Entscheidungen bei Frauen nicht Privatsache bleiben, sondern immer noch ihre Wahrnehmung im Beruf beeinflussen.

Mein Argument ist nicht, dass Frauen es vermeiden sollten, im Beruf über ihre Kinder zu sprechen. Und auch nicht, dass wir uns sofort angegriffen fühlen müssen, wenn wieder jemand die K-Frage stellt. Sondern, dass wir Menschen neutral entgegentreten und andere dazu auffordern, das ebenfalls zu tun. Und dass wir nicht aufhören, die Allgegenwärtigkeit von Sexismus wahrzunehmen, anzusprechen und für Gleichberechtigung einzutreten – im Sinne einer fairen und inklusiven (Arbeits-)Welt.

Über die Autorin:

Swantje Allmers (43) ist Unternehmensberaterin, Trainerin und Speakerin im Bereich New Work. 2021 gründete sie gemeinsam mit Michael Trautmann ihre eigene Beratung, die sich dafür einsetzt, New Work konkret und ganzheitlich umzusetzen. Sie ist außerdem Co-Autorin des Buches „On the Way to New Work“, das im Frühjahr 2022 erschien. www.newworkmasterskills.com

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