Kristina Kreisel

vor 16 Tagen

10 Min. Lesedauer

So oft solltest Du Urlaub machen, um nicht auszubrennen

Du bist ständig müde, schläfst schlecht und fährst schnell aus der Haut? Dann ist es vielleicht Zeit für einen Urlaub. Psychologin Nora Dietrich erklärt, wie echte Erholung gelingt, was Warnzeichen sind – und was Corona damit zu tun hat.
Nora Dietrich über die Bedeutung von Urlaub
Nora Dietrich: "Entscheidend ist, aus dem To-Do-Listen-Denken herauszukommen." Foto: privat

Liebe Nora, seit der Pandemie fühlen sich viele Menschen überlastet. Dabei ist Corona inzwischen fast anderthalb Jahre vorbei. Das Gefühl scheint zu bleiben. Warum?

Die Pandemie hat unsere Energiebatterien aufgebraucht – und wir haben, seit die Welt plötzlich wieder offen und „normal“ war, einfach keine Zeit gehabt, sie wieder aufzufüllen und uns nachhaltig zu regenerieren, weil nach Covid ging es mit den kollektiven Stressmomenten ja nur so weiter… Der Ukraine-Krieg, die Inflation, der Gaza-Konflikt, die angespannte Situation in vielen Unternehmen aufgrund von zu wenig Personal, all das zehrt an uns. 

 

Die meisten Teams, mit denen ich arbeite, leiden zudem unter als zu hoch empfundenen Workloads, komplexen Veränderungen, die sich ständig selbst überholen und fehlender Unterstützung durch ihre Führungskräfte.

 

Fast zwei Drittel der Deutschen sehen sich als Burnout-gefährdet. Vor der Pandemie hat das nur jede:r Zweite gesagt. Haben wir die Nachwehen der Pandemie unterschätzt?

Ja. Die permanente Unsicherheit, der Balanceakt zwischen Arbeit und Familie – vor allem, als die Schulen und Kitas zu waren und die Kinder zu Hause –, aber auch der Verlust von nahestehenden Menschen, den während der Pandemie viele verarbeiten mussten, hat deutliche Spuren hinterlassen.

Alle drei Monate sollte jede:r eine Pause machen.

 

Viele tun sich schwer, Ruhepausen in ihren Alltag einzubauen. Das war auch schon vor Corona so. Umso mehr Fokus liegt dann auf dem Urlaub. Wie häufig sollte ich Urlaub machen, um nicht auszubrennen? Und: Wie viele Tage braucht es dafür?

Die Forschung ist sich nicht ganz einig, doch acht bis elf Tage scheint der Körper in der Regel zu brauchen, um runterzufahren und zu regenerieren. Manchmal können aber auch schon drei Tage ausreichen, um unsere Batterien gut aufzufüllen. Wichtiger als das Wie lange ist das Wie. Als Faustregel empfehle ich aber: Mindestens alle drei Monate sollte jede:r ein paar Tage Pause machen.

 

| Foto: privat

Wie schaffe ich es denn, Pausen so zu gestalten, dass ich mich danach wirklich erholt fühle und nicht genauso matt wie am Freitag davor?

Am wichtigsten sind ausreichend Schlaf – also sieben bis neun Stunden pro Nacht –, Bewegung und Aktivitäten, die uns erfüllen und individuell Spaß machen. Diese Faktoren haben mehr Einfluss auf unsere Erholung als die Anzahl der Tage. Statt einmal im Jahr intensiv Urlaub zu machen, hilft es also auf jeden Fall, sich kontinuierlich kleinere Inseln der Erholung zu suchen.

 

Ob ich dafür wegfahre oder zuhause bleibe, ist dabei zweitrangig. Entscheidender ist, dass ich aus dem To-Do-Listen-Denken herauskomme. Dabei kann ein Ortswechsel helfen, muss aber nicht. Wenn wir im Job extrem gestresst alles fertig machen wollen, dann ein paar Tage in den vollgepackten Urlaub fahren, um anschließend von 300 Emails in Empfang genommen zu werden, ist das für viele sogar stressiger, als gar nicht erst frei zu haben. Gute Vertretungsregelungen und wenige Termine in den ersten zwei Tagen nach der Rückkehr helfen zudem, dass der Erholungseffekt nicht sofort verpufft.

 

Was sind Warnzeichen, dass eine „Insel der Erholung“ mal wieder notwendig ist, ergo, ich auf die Bremse treten und mir eine Auszeit nehmen sollte?

Stress hat 1000 Gesichter. Kognitiv können wir uns zum Beispiel schlechter konzentrieren, sind entscheidungsmüde; emotional werden wir unsicherer oder reizbarer. Körperlich schlafen wir schlechter oder werden häufiger krank und sozial ziehen wir uns zurück – ob bei privaten Verabredungen oder im Teammeeting. Viele von uns versuchen die schwindende Leistung dann mit Überstunden oder Perfektionismus zu kompensieren. Im Außen wirkt das engagiert, doch innerlich sind wir erschöpft und brauchen eine Pause. 

Wenn wir im Job mehr und mehr Fehler machen, ist das ein Warnzeichen.

 

Burnout wird oft als die Situation beschrieben, in der dieser Urlaub oder diese kurzfristige Auszeit eben nicht mehr hilft.

Ja, das ist eine gute Beschreibung. Urlaub ist ein toller präventiver Erholungsfaktor und kann uns auch in einem Burnout kurzzeitig entlasten. Doch der Effekt hält meistens nur wenige Wochen an, weil wir auf der Symptomebene bleiben, statt die Wurzel des Problems zu adressieren.

 

In einem ernsthaften Burnout brauchen wir meist eine längere Auszeit, um uns zu erholen und zu verstehen, warum wir immer wieder in die totale Erschöpfung laufen. Es ist wichtig, für sich zu klären: Was brauche ich in Zukunft, um meine bestmögliche Arbeit zu machen und trotzdem gesund zu bleiben? Welche persönlichen Muster erschweren es mir, gut für mich zu sorgen? Sonst droht man immer wieder, in diese Belastungsspirale reinzurutschen.

 

Die Zahl der Menschen, die an einer Erschöpfungsdepression – also einem Burnout – erkrankt sind, hat im vergangenen Jahr um 20 Prozent zugenommen. Was sind Hinweise auf einen Burnout, die niemand ignorieren sollte?

Die emotionale und körperliche Erschöpfung spüren wir meist zuerst. Wichtige Hinweise, die man nicht ignorieren sollte, sind dann zum Beispiel: Wir werden kritischer als gewöhnlich, blicken zynisch auf den Job oder Entscheidungen oder merken, dass unsere Kreativität versiegt und wir mehr und mehr Fehler machen.

 

Zu Hause zeigt sich ein Burnout häufig auch, wenn wir Hobbies oder Menschen vernachlässigen, die uns eigentlich wichtig sind, und wenn selbst alles Schöne zu einem To-Do wird. Dann sollte man sich professionelle Hilfe suchen – am besten in einer psychotherapeutischen Praxis, aber auch Hausärzt:innen können eine gute erste Anlaufstelle sein. Bei Psychotherapeut:innen gibt es zudem Sprechstunden, die man auch ohne Therapie erstmal wahrnehmen kann. Was ich auch empfehlen kann: Die Terminvergabestelle der Krankenkassen. Die haben in der Regel einen guten Überblick, wo man zeitnah gesehen werden kann. 

 

 

Über die Expertin 

Nora Dietrich (35) ist Psychologin und Psychotherapeutin mit mehrjähriger Berufserfahrung in der stationären und ambulanten Patient:innenversorgung. Heute gibt sie Mental-Health-Trainings für Führungskräfte und berät Unternehmen in Bezug auf gesunde Organisationsdesigns und Stressmanagement. Sie ist überzeugt: Leistung und Performance sind kein Widerspruch zu Menschlichkeit und einem gesunden Leben. 

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