Hannah Andresen

vor 8 Tagen

5 Min. Lesedauer

Mit Motorsport gegen die Klimakrise – und Geschlechterklischees

„Motorsport“ – ein Begriff, der viele Klischees im Kopf hervorruft: Umweltverschmutzende Abgase, Lärmbelästigung für Mensch und Tier, vorrangig Männer auf dem Siegerpodest. Entspricht das noch dem Zeitgeist? Diese Frage beschäftigt schon längst nicht mehr nur Motorsport-Kritiker:innen, sondern auch die Branche selbst: Bereits 2019 setzte sich die Formel 1 das ambitionierte Ziel, ihre Kohlendioxid-Emissionen bis 2030 auf null zu setzen.

Die Klimakrise sorgt allerdings nicht nur für neue Ansätze bei bestehenden Rennserien, sondern ruft auch neue Player auf die Karte: „Extreme E“ lautet die neue Offroad-Rennserie, die sich zum Ziel gesetzt hat, an besonders betroffenen Orten die heute bereits sichtbaren Folgen des Klimawandels zu veranschaulichen – mit Austragungsorten wie arktischen Eiswüsten oder dem Regenwald, 544 PS starken Elektro-SUVs und Aktionen wie der „Extreme E Count Us In Challenge“, die die Fahrer:Innen und Zuschauer:innen zu mehr nachhaltiger Praxis bewegen soll. Doch damit nicht genug: Jedes Team geht jeweils mit einem Mann und einer Frau an den Start – damit sollen bestehende Vorurteile zu geschlechtsspezifischen Unterschieden im Motorsport beendet werden.

Mit Motorsport gegen die Klimakrise – und Geschlechterklischees
Mit Motorsport gegen die Klimakrise – und Geschlechterklischees

Vergangenen Samstag war Startschuss des „Desert X Prix“ für 18 Fahrer:innen in Al-'Ula, einer Oasen-Stadt in der saudi-arabischen Wüste. Der moderne Ansatz der Rennserie zog auch prominente Namen wie Lewis Hamilton und Nico Rosberg an, die jeweils als Teamchefs an den Start gingen. Das „Rosberg X Racing“ Team konnte sich sogar den ersten Platz sichern.

 

"Ich finde es immer toll, wenn sich Leute Gedanken machen, um etwas Neues zu erfinden."

Die deutsche Rennfahrerin Jutta Kleinschmidt war in doppelter Funktion vor Ort: Einerseits fungierte sie als Beraterin für Extreme E, andererseits nahm sie als „Championship Driver“ die Ersatzfahrerin-Rolle ein, falls eines der Teams sie beim Rennen gebraucht hätte. Kleinschmidt gehört zu den weltweit erfolgreichsten Frauen im Motorsport. 2001 schrieb sie ihren Namen als erste weibliche Rallye-Gewinnerin der Dakar in die Geschichtsbücher. Weitere zwei Podiumsplätze in den Jahren 2002 und 2005 festigten ihren Ruf als erfolgreichste Fahrerin der Kategorie.

 

Wir sprachen mit ihr vor dem Rennen über die Notwendigkeit von Serien wie der Extreme E, wichtige Kompetenzen der Fahrer:innen sowie ihre Vorbereitung auf das Rennen.

 

Was gefällt Ihnen an der Extreme E so gut?

Wir müssen im Motorsport neue Wege gehen. Die Technologie bleibt nicht stehen. Auf der Rundstrecke gibt es bereits etablierte Serien für Elektrofahrzeugen. Mit der Extreme E erobert das Elektroauto nun auch den Offroad-Bereich, der mir ja sehr am Herzen liegt. Mir gefällt zusätzlich die Gendergleichheit. Zum ersten Mal gehen gleich viele Männer und Frauen an den Start und bilden jeweils ein Team. Das ist eine Riesenchance für talentierte Frauen ins Rampenlicht zu kommen.

 

Wie viele Frauen finden sich prozentual im Motorsport?

Das ist verschwindend gering. Wahrscheinlich weniger als drei Prozent. Deshalb ist eine Serie wie die Extreme E so wichtig.

 

Mit gemischten Teams aus einer Frau und einem Mann sorgen Sie für Gleichberechtigung unter den Fahrer:innen. Warum war das notwendig?

Es geht nicht um die Notwendigkeit. Es ist einfach eine innovative Idee, das hat noch nie so stattgefunden. Ich finde es immer toll, wenn sich Leute Gedanken machen, um etwas Neues zu erfinden. Die Serie ist attraktiv und innovativ.

 

Was mussten Sie mitbringen, um den Job der Championship Driver der Extreme E zu bekommen?

Ich bringe mehr als 30 Jahre Erfahrung im Offroad-Bereich mit. Ich bin zahlreiche unterschiedliche Rallyes gefahren, inklusive 17 Dakars mit dem Auto oder Motorrad. Nach wie vor bin ich die einzige weibliche Dakar-Siegerin. Ich würde mich freuen, wenn wir mit der Extreme E auch im Cross Country Sport erfolgreiche Frauen sehen. Auch in meiner Aufgabe als Präsidentin der Cross Country Rally Commission bei der FIA binde ich neue Technologien ein und teile somit die Philosophie der Extreme E.

 

Kann man mit Motorsport verdienen? Hauptberuflich?

Ja, das kann man. Es gibt gute Beispiele dafür, aber das ist sehr schwer. Es schaffen zur wenige an die Spitze. Auch nach einer erfolgreichen Karriere kann man, so wie ich, mit Vorträgen und Beratertätigkeiten seinen Lebensunterhalt verdienen.

 

Verdienen hier auch Männer mehr als Frauen?

Das kann ich nicht beurteilen, aber oft bekommen sie mehr Unterstützung vom Team, da allgemein immer noch die Meinung vertreten wird, dass Männer erfolgreicher im Motorsport sind als Frauen. Frauen werden heute leider immer noch eher aus PR-Gründen eingesetzt.

 

Was ist wichtiger – menschliche oder fachliche Kompetenz innerhalb der Fahrer:innen Teams?

Das Team will einen schnellen Fahrer oder eine schnelle Fahrerin, da geht es nicht vorrangig um das Menschliche, sondern eindeutig um das Fachliche. Jemand, der Erfahrung mitbringt und helfen kann, ein Auto schnell abzustimmen, der bringt am Ende Ergebnisse.

 

Wie bereiten Sie sich auf das Rennen vor?

Wichtig ist, dass wir analysieren, wie genau der Aufbau der einzelnen Rennen ist. Wir bieten attraktive, anspruchsvolle Strecken. Es ist wichtig, dass die Streckenbeschaffenheit und das Format auf das Auto angepasst werden. Die Fahrer sollen sich zudem mit viel Spaß den Herausforderungen stellen können.  Dazu testen und designen die Championship Drivers vorab mit Einsatzfahrzeugen die Strecke. Sollte tatsächlich ein Fahrer während der Veranstaltung ausfallen, springen Timo Scheider oder ich ein.

 

Wie genau sehen Ihre Maßnahmen für mehr Klimabewusstsein und E-Mobilität bzw. gegen Vorurteile im Motorsport aus?

Mit der Extreme E wollen wir auf Umweltthemen aufmerksam machen. Motorsport kann dabei helfen, die entsprechende Aufmerksamkeit in die breite Öffentlichkeit zu bringen. Wir zeigen u.a. das Motorsport auch mit umweltfreundlichen Fahrzeugen Spaß machen kann und können damit maßgeblich zur Entwicklung der Elektromobilität beitragen. Motorsport war schon immer Vorreiter und Entwicklungsfeld für neue Technologien und ist deshalb interessant für Hersteller.

 

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