Glücks-Rezept entschlüsselt: so werden Sie zufriedener
STRIVE+ | Kann man Zufriedenheit festhalten? So schwer greifbar wie das Hochgefühl ist jedenfalls keine andere Emotion – entweder fällt es vom Himmel oder ist extrem komplex in der Herstellung. Die gute Nachricht: Forscher:innen haben das Glücksrezept entschlüsselt.

Robbie Williams (48) ist ein Glückspilz. Mit der Boyband Take That längst zum Megastar geworden, gingen 2006 die Karten für seine Solo-Welttournee „Close Encounters“ so rasant weg wie bei keinem und keiner anderen Künstler:in je zuvor. Mit ganzen 1,6 Millionen verkauften Tickets an nur einem Tag dokumentierte sogar das Guinnessbuch der Rekorde den Ausnahmeerfolg.
Aber als Williams zum Auftakt der Deutschlandkonzerte in Dresden auf die Bühne kam, begann er die Show mit den Worten „I feel like Scheiße“. Am Ende aller Auftritte hatte er 60 Millionen US-Dollar eingespielt, die frenetische Zuneigung der Fans gespürt – und checkte wegen innerer Leere und damit einhergehender Suchtprobleme in die Rehabilitationsklinik Cottonwood in Tucson, Arizona, ein. Was sich nach außen in Form von Reichtum, Ruhm und Bewunderung als geradezu bombastisch präsentierte, taugte nicht als Glücksbringer. Aber womit, wenn nicht durch derart epische Errungenschaften, findet man das Glück dann?
„Glück ist eine Entscheidung. Es kann durch Eigeninitiative angeschoben werden.“ – Glücksforscherin Maike van den Boom
Die Forschung unterscheidet zwei Arten von Glück. Das rauschartige „Zufallsglück“, wie etwa im Zustand akuten Verliebtseins, ist nie von Dauer. Kaum da, ist es auch schon wieder weg. „Kann man es nicht irgendwie festhalten“, wünscht man sich. „Leider nein – aber das ist auch gut so, weil man in der Phase meist kaum was auf die Reihe bekommt“, sagt Glücksforscherin Maike van den Boom (51) lachend.
Auch die euphorischen Glücksgefühle, die uns nach den langen Corona-Lockdowns plötzlich im Restaurant, mit Freund:innen oder auf der Tanzfläche emotional in Wallung brachten, waren nicht für die Ewigkeit bestimmt. Viele von uns haben das so erlebt. „All das sind punktuelle Erfahrungen. Am besten, man genießt sie, solange sie da sind, und geht besser nicht davon aus, sie morgen wieder zu erleben“, sagt van den Boom. Denn sobald sich der Mensch an einen Zustand gewöhnt, wird er als normal oder – um es mit Freud zu sagen – als langweilig empfunden. Das Hochgefühl: futsch!

Glück ist nicht die Abwesenheit von Unglück, sondern entsteht aus einem Mix aus Freude und Leid. Erst die lange Zeit in denselben vier Wänden mit den immer gleichen Gesichtern haben das Restaurant und die Tanzfläche so verheißungs- voll aussehen lassen. Während das „Zufallsglück“ von vielen vagen Komponenten abhängt und deshalb so gut wie gar nicht planbann das nachhaltigere „Lebensglück“ sehr wohl durch Eigeninitiative angeschoben werden.
Die Glücksforscherin weiß, welche Stellschrauben es zu drehen gilt. „Freiheit ist ein enorm wichtiger Faktor – wahrscheinlich sogar der wichtigste“, sagt sie. Das Gefühl, die Kontrolle über das eigene Leben zu haben und nicht Opfer von Umständen oder der Gnade des Partners oder der Partnerin ausgeliefert zu sein, entscheidet über das persönliche Glückslevel. Wer in einem Umfeld steckt, das wenig Raum für autonome Handlungen bietet, hat für Neugier auf Neues kaum Spiel. „Das ist entmutigend und macht auf Dauer einfach unglücklich.“
Festzustellen, dass man etwas am Status quo ändern und seine Welt selbst neu erschaffen kann, ist ein wichtiger Schritt Richtung Freiheit.
Van den Boom muss es wissen. Die gebürtige Heidelbergerin ist bei einer Studienreise durch die 13 glücklichsten Länder, darunter Costa Rica, Dänemark und Island, immer wieder auf das Thema Freiheit gestoßen. Außerdem lebt sie seit vielen Jahren in Schweden – und beobachtet vor Ort eine enorm freie Gesellschaft. „Hier werden die Kinder schon in der Schule ermutigt, den Mund aufzumachen und Verantwortung zu übernehmen. Die Scheidungsrate ist extrem hoch, weil niemand eine dysfunktionale Beziehung um ihrer selbst willen aufrechterhält, und am Arbeitsplatz lassen Chef:innen ihren Leuten Raum für freie Entscheidungen“, sagt sie.
In Schweden ist die Scheidungsrate enorm hoch – und die Menschen insgesamt sehr glücklich.
Außerdem herrscht ein Klima des Vertrauens. Zwischen 2017 und 2021 wurden Menschen in 80 Ländern für die World Values Survey gefragt, ob sie anderen generell vertrauen. In Schweden antworteten 62,8 Prozent mit Ja, in Deutschland nur 39,5 Prozent. Genau wie Freiheit spielt Vertrauen in sich und andere eine entscheidende Rolle für das Erleben von Glück. Wer den Mut aufbringen möchte, Neues auszuprobieren, um das Leben interessant zu gestalten, benötigt Vertrauen. Kein Wunder, dass Schweden in den von Finnland angeführten Top 20 des World Happiness Report 2021 mit Platz sechs einen der vordersten Ränge belegt.
Die Freiheit, das Leben zu gestalten, sich und anderen zu vertrauen und sich mit Menschen zusammenzutun – das hört sich als Schlüssel zum Glück überzeugend an. Aber sind Geld und Liebe tatsächlich unbedeutend für das Lebensglück? Wirtschaftsnobelpreisträger Daniel Kahnemann (88) und Ökonom Angus Deaton (76) vom Center for Health and Wellbeing an der renommierten Princeton University fanden 2018 eine Antwort auf den finanziellen Aspekt der Frage. Ihre Studie zeigte einen enormen Glückszuwachs, wenn das Jahreseinkommen unter den 6.000 Probanden und Probandinnen von 15.000 auf 30.000 Euro anstieg.
Verdoppelte es sich erneut und wuchs auf 60.000 Euro an, fiel der Glücksbonus schon geringer aus. Bei einem weiteren Anstieg blieb der Stand auf dem Glückskonto gleich. Mit der Liebe ist es dagegen so: Sie birgt Glücksmomente – aber auch Gefahren. Nach dem anfänglichen Hochgefühl kommt man, so nüchtern das auch klingt, im Zweifelsfall besser auch allein zurecht. Denn: „Die Liebe an sich macht natürlich glücklich. Aber wenn man eine:n Partner:in oder Kinder braucht, um glücklich zu sein, ist das schlecht. Es ist wichtig, auch nur mit sich selbst glücklich sein zu können“, so van den Boom. Bei der Betrachtung der eigenen Situation sind dabei auch die kleinen Dinge wertvoll.
Es lohnt sich, alles, worüber man sich glücklich schätzen darf, festzuhalten. Dankbarkeitsrituale sind effektive Glücksübungen, das belegen Studien der Positiven Psychologie. Aber: „Dankbarkeitsübungen nützten nichts, wenn die großen Faktoren nicht stimmen. Glück ist eine Entscheidung“, weiß die Forscherin.