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„Die eine richtige Lösung gibt es meist nicht“

What's your story? | Die Schweizerin Claudia Bolliger-Winkler (33) ist Co-Gründerin & CEO bei Lionstep, einer HR-Plattform, die Unternehmen bei der Suche und Einstellung neuer Mitarbeiter:innen durch einen Mix aus künstlicher Intelligenz und menschlicher Interaktion unterstützt. Nach eigenen Angaben vertrauen Lionstep inzwischen mehr als 600 Unternehmen in Deutschland, Spanien und der Schweiz, unter anderem Telefonica und Adidas. Wir haben mit Claudia Bolliger-Winkler über ihre Gründungsreise gesprochen, was gute Führung für sie bedeutet und welche Tipps sie jungen Gründer:innen mit auf den Weg geben würde.


Lionstep CEO Claudia Bolliger-Winkler

Frau Bolliger-Winkler, Sie waren 29 als Sie Lionstep gründeten. Was war Ihr Ansporn?

Tatsächlich war Lionstep nicht mein erstes Startup. Schon während meines Master-Studiums gründete ich mit einer Freundin ein Unternehmen, mit dem wir aus Bangkok importierte Kleider und Anzüge verkauften. Auch wenn es vielleicht anders aussieht: Das Gründen hat mich ursprünglich gar nicht so sehr gereizt, da ich mir der vielen Herausforderungen bewusst war. Doch ich bin eine Anpackerin und hatte immer viele Projekte am Laufen, auch wenn ich anfangs nie das Ziel verfolgte, eine große Firma aufzubauen.

Für mich stand immer im Vordergrund, dass meine Arbeit Spaß macht, Sinn ergibt und ökonomisch sinnvoll ist.

Wie sind Sie auf die Idee für Lionstep gekommen?

Die Idee entstand mit meinem damaligen Mitgründer. Er hatte eine Bekannte in einem globalen Unternehmen mit dem Problem, dass sie Unmengen an Bewerber:innen hatten. Wir sind kurzerhand nach Madrid geflogen und wollten helfen. Aus diesem Projekt ist der technische Ursprung für Lionstep entstanden. Wir haben ein Problem vom Kunden wahrgenommen und versucht, es zu lösen – und daraus sind dann später weitere Lösungen entstanden, manchmal auch durch Zufall.

Wie groß war Ihr Gründungsteam?

Wir haben zu zweit gegründet und später einen dritten Inhaber mit ins Boot geholt. Allein konnten wir nicht alles abdecken. Doch das Gründen im Team birgt auch Herausforderungen, denn jede:r hat andere Vorstellungen. Das ist aber nicht zwangsläufig schlecht für das Geschäft – meiner Erfahrung nach eher im Gegenteil, da man auf dem Weg zum Konsens hin die Dinge eventuell etwas besser analysiert. Zudem kann man Aufgaben aufteilen und sich auf seine Stärken fokussieren. Es macht natürlich auch viel mehr Spaß, mit Leuten zusammenzuarbeiten und Freud und Leid zu teilen.

Wie ist Lionstep finanziert?

Wir haben private Geldgeber:innen. Mit klassischen VCs haben wir (noch) nicht gearbeitet. Externe Investor:innen dazu zu holen, ist nicht ausgeschlossen, jedoch verfolgen wir das Ziel, die Mehrheit der Anteile des eigenen Unternehmens zu halten.

Welchen Herausforderungen mussten Sie sich beim Gründen stellen und wie haben Sie die überkommen?

Challenges gibt es jeden Tag. Einige kann man vorhersehen, andere nicht. Es war definitiv eine Herausforderung, dass wir den Recruiting-Markt vor der Gründung kaum kannten und keinerlei Insights aus dem Talent-Tech-Bereich hatten. Diese Challenge haben wir selbst durch Recruiting gelöst: Mittlerweile gehören viele Expert:innen mit jahrelanger Branchenerfahrung zu unserem Team.


Wie war es für Sie, jung Chefin zu werden?

Ohne Erfahrung die eigenen Mitarbeiter:innen zu führen war und ist meine persönlich größte Herausforderung – vor allem bei einem schnell wachsenden Team. Auf einmal trägt man die Verantwortung für Menschen, die ihren Job verlieren können. Im letzten Jahr hat Corona das noch einmal erschwert, aber ich konnte daraus sehr wichtige Learnings ziehen.

Wie haben Sie gelernt zu führen?

Learning by doing und viel aktives Zuhören in Gesprächen mit Menschen, die diese Erfahrung schon gemacht haben. Glücklicherweise bringe ich einige wichtige Eigenschaften zum Führen bereits mit: Ich bin offen, höre gut und gerne zu, beharre nicht stur auf meiner eigenen Meinung und lasse meinen Angestellt:innen Freiräume. Aber mir ist auch bewusst, dass ich Defizite habe, so wie wohl jede:r.

Auch das gehört als Chefin dazu: Ownership und Verantwortung für Dinge zu übernehmen, von denen man weiß, dass man sie (noch) nicht gut kann.

Um mich weiterzuentwickeln, spreche ich mit vielen Menschen, die Erfahrung haben und sauge Bücher und Videos regelrecht auf.

Haben Sie Mentor:innen, mit denen Sie sich austauschen?

Einige! Mein Mann ist einer von ihnen, er hat viele Jahre Führungserfahrung und ist in der gleichen Branche tätig. Zudem hat er zwei eigene Unternehmen aufgebaut. Mit ihm philosophiere ich auch gerne mal abends auf der Couch oder am Wochenende über die Arbeit.

Was war in Ihrer Karriere bislang Ihr größtes Learning?

Man lernt nie aus. Und es gibt kein Richtig oder Falsch. DIE EINE richtige Lösung gibt es meist nicht und allen recht machen kann man es (leider) nie. Empathie ist hier das Zauberwort. Im Unternehmenskontext finde ich es gut, wichtige Entscheidungen gemeinsam zu treffen.

Worauf blicken Sie aus Ihrer bisherigen Gründungszeit gerne zurück?

Tatsächlich auf alles. Auch auf die „negativen“ Erfahrungen, aus denen man lernen konnte. Anfangs saßen wir noch im Mini-Büro, jetzt sind es 80 Kolleg:innen. Wir haben mittlerweile eine Größe im Markt, die es uns erlaubt, Neues zu schaffen. Besonders stolz bin ich auf das Reskilling-Programm für Quereinsteiger:innen oder das Projekt „Back-to-Work“, mit dem wir Menschen helfen wollen, den Weg ins Berufsleben wieder zu finden, zum Beispiel nach einer Entlassung oder Elternzeit.

Welchen Tipp würden Sie Ihrem 18-jährigen Ich in Sachen Gründung geben?

Allgemein für die Geschäftswelt würde ich auf jeden Fall empfehlen, in verschiedenen Unternehmen und Ländern Praktika zu machen und in unterschiedliche Branchen reinzuschnuppern. Und: Mit erfahrenen, erfolgreichen und gescheiterten Menschen zu sprechen. Offen zu sein für neue Eindrücke. So legt man den Grundstein dafür, ein:e gute:r Generalist:in zu werden – und das muss man als Unternehmer:in definitiv sein.

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