Dr. Maria Bergler

15. April 2024

7 Min. Lesedauer

Führungskräfte sind auch nur Menschen!

Wir haben die höchsten Erwartungen an sie und geben ihnen wenig Spielraum für Fehler – Führungskräfte. Für viele das ultimative Karriereziel, doch sobald sie es erreichen, wird schnell klar, dass nicht alles so leicht ist, wie es immer scheint. Einsamkeit, interne Konflikte, Startschwierigkeiten – Wie schaffen wir es, Führungskräfte weiterhin als Menschen wahrzunehmen? 

Führungskräfte sind auch nur Menschen!
Foto: Anija Schlichenmaier

Führungskraft: Freund, Chefin, Mentor, Mensch? 

Wie siehst Du Deine eigene Führungskraft? Siehst Du in ihr hauptsächlich Deinen Chef bzw. Chefin, die ihre Pflichten zu erfüllen hat, oder siehst du dahinter auch den Menschen, der diese Rolle einnimmt? Oder bist du selbst eine Führungskraft und kämpfst mit den Schwierigkeiten, die diese Position mit sich bringt?

 

Führungskräfte werden von uns gerne auf ein Podest gestellt. Sie haben ein Team zu managen, wichtige Entscheidungen zu treffen und bei Konflikten ein Machtwort zu sprechen. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass mit der Führungskraft oft die gesamte Abteilung steht oder fällt. Eine wahnsinnige Verantwortung, oder?

 

Als ich als junge Beraterin bei McKinsey & Company in meine erste Führungsrolle kam, wurde mir auf den Schlag klar, dass neben der gewaltigen Freude, endlich diese Verantwortung tragen zu können, auch Türen zu Herausforderungen und Schwierigkeiten geöffnet wurden, die ich vorher nicht mal ansatzweise so habe kommen sehen. Der ständige Balanceakt zwischen den Bedürfnissen des Teams und den Anforderungen der Führungsebene und der Klient:innen erwies sich als schwieriger als gedacht. Es war eine stetige Gratwanderung zwischen dem Streben nach Ergebnissen und dem Aufbau einer unterstützenden und motivierenden Teamkultur.

Intrigen, Einsamkeit und schlaflose Nächte

Eine Führungskraft zu sein, ist eine unfassbar intensive Erfahrung. Wichtige Entscheidungen müssen getroffen, ein Team organisiert, eine Abteilung oder gar ein ganzes Unternehmen geleitet werden. Dass da auch unangenehme Themen aufkommen, ist nicht verwunderlich.

 

Denn auch Führungskräfte haben private Herausforderungen und Schwierigkeiten, Arbeit und Privates in Einklang zu bringen. Auch Führungskräfte kennen das Gefühl, Intrigen ausgesetzt zu sein oder nicht immer eine Lösung parat zu haben – Letzteres ist besonders unbehaglich, wenn alle Augenpaare auf einen gerichtet sind, immer die richtige Entscheidung erwartend. Dabei sind Führungskräfte auch nur Menschen hinter der Rolle. Und Menschen machen Fehler.

 

"Es ist menschlich, wenn es dich trifft, wenn Themen nicht so laufen, wie du es dir erhofft hast. Du darfst auch als Führungskraft dir selbst gegenüber Mitgefühl entwickeln.“

 

Wer besonders häufig vergisst, dass Führungskräfte nur Menschen sind, sind meiner Meinung nach, vor allem Führungskräfte selbst. Wenn wir unsere Karrierelaufbahn beginnen, streben wir meistens an, immer eine Stufe höher zu kommen, immer das nächste Level zu erreichen. Für viele ist es das absolute Karriereziel, endlich zur Führungskraft befördert zu werden. Doch wenn dieses Karriereziel dann erreicht ist und man endlich die Führungsrolle antritt, sind viele überrascht: Denn das Führen anderer erfordert ganz andere Fähigkeiten von uns als bisher. Wir mögen glauben, dass wir nun endlich "senior" genug sind, um zu führen, doch in Wahrheit sind wir oft noch komplette Neulinge auf diesem Gebiet – das gestehen wir uns selten ein.

 

Auf dem Weg zur Führungskraft lernen wir viel, wachsen über uns selbst hinaus, übernehmen Verantwortung und lernen immer mehr dazu. Aber was wir auch lernen: Mit jeder Stufe, die wir weiter die Karriereleiter hochsteigen, haben wir weniger Menschen im Unternehmen, mit denen wir uns austauschen und Erfahrungen teilen können, geschweige denn diejenigen, bei denen wir risikofrei unseren eigenen Emotionen Raum geben können.

 

| Foto: Anija Schlichenmaier


Neben der Einsamkeit an der Spitze bemerken wir zudem, dass nicht immer alles so leicht ist, wie es bei unseren vorherigen Führungskräften wirkte. Wir bewegen uns oft am Anfang auf neuem Terrain und haben eigentlich wenig Spielraum, um diesen mit Fehlern auszutesten.

 

Es liegt an uns als Führungskräfte, unsere Mitarbeitenden für diese Realitäten zu sensibilisieren. Indem wir uns darauf fokussieren, ein Arbeitsumfeld zu schaffen, in dem wir mit unseren Mitarbeitenden ein Vertrauensverhältnis pflegen, wo sich alle Beteiligten (auch die Führungskraft) psychologisch sicher fühlen können.

 

Das kann uns gelingen, wenn wir darauf achten, bei allen Themen nicht das Gefühl aufkommen zu lassen, dass man eine eigene Agenda verfolgt oder nur im Eigeninteresse agiert. Das Gemeinsame sollte im Vordergrund stehen und die Belange des Gegenübers mitgedacht werden. Wenn wir kompetent und zuverlässig agieren und gleichzeitig offen über unsere eigenen Herausforderungen und Lernprozesse sprechen, schaffen wir eine Atmosphäre des Verständnisses und der Offenheit. Wenn uns das gelingt, schaffen wir uns selbst ein Umfeld, in dem wir als Führungskräfte lernen und wachsen können.

 

Ein kleiner Reminder

Das Ganze kann einen manchmal in die Verzweiflung bringen, vor allem wenn man hohe Ansprüche an sich selbst pflegt.

Daher appelliere ich immer wieder an Führungskräfte: Es ist menschlich, wenn es dich trifft, wenn Themen nicht so laufen, wie du es dir erhofft hast. Du darfst auch als Führungskraft dir selbst gegenüber Mitgefühl entwickeln. Denn keine:r wird als Führungskraft geboren. Führung lernt man. Und da gehören auch Fehler dazu. Genau das macht Dich als menschliche Führungskraft aus.

 

Über die Autorin:

Dr. Maria Bergler ist Beraterin und Executive Coach für Führungskräfte, Gründer:innen und Unternehmer:innen mit Sitz in München. Sie ist ausgebildete systemische Coach, Centered Leadership Trainerin sowie lösungsorientierte Kurzzeitcoach.

Ihre vielfältigen Erfahrungen im Bereich Führungskräfteentwicklung und Coaching, im Personalwesen, im Startup und der Unternehmensberatung sind heute die Basis ihrer Coachings rund um die Themen Führung, Karriere und Persönlichkeit.

 

Dr. Maria Bergler promovierte an der Universität Regensburg im Bereich Erziehungswissenschaften, BWL und Psychologie. Sie wurde kürzlich als Top Voice Job & Karriere 2024 von LinkedIn sowie als HR Top Voice 2023 von Personio ausgezeichnet. Sie ist geboren im tiefsten Oberbayern mit äthiopischen Wurzeln und Mutter zweier Kinder.

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